Der Geschichtenverkäufer
zum Bestseller reifen könnte. Das Ganze bedeutete für mich einen beachtlichen finanziellen Fortschritt, es machte mich zum wohlhabenden Mann. Aber - es lag darin auch eine große Gefahr.
Wenn ich über Tantiemen verhandelte, hatte ich immer ein Diktiergerät in der Jackentasche. Ich fand, daß damit auch dem Kunden gedient war. Eine mündliche Abmachung ist schließlich ebenso bindend wie ein schriftlicher Vertrag, das Problem bei mündlichen Abmachungen ist nur, daß sie bei beiden Partnern ein gleich gutes Gedächtnis voraussetzen. In dieser Hinsicht war das Diktiergerät von unschätzbarem Wert, und bei ein paar Gelegenheiten erwähnte ich es ausdrücklich. Einige wenige Male mußte ich die Kundschaft außerdem davon überzeugen, daß sie mir tatsächlich Geld schuldete; ich tat es durch den Hinweis, daß ich seit vielen Jahren ein Tonbandgerät an mein Telefon angeschlossen hätte. Ich war ein Mann der Ordnung, manche würden auch sagen: ein Pedant.
Einer der Frustrierten, wir wollen ihn Robert nennen, besuchte mich einmal zu Hause in meiner Wohnung. Er war zehn Jahre älter als ich, ein halber Flame, und hatte kein problemloses Leben geführt. Seine schriftstellerische Karriere war nicht nach Wunsch verlaufen, außerdem hatte er früh einen Sohn bekommen, der an einem kleinen Gehirnschaden litt. Das hatte die Beziehung zu seiner Frau Wenche strapaziert, nun hatte Wenche sich einem anderen Autor zugewandt. Wenche und Robert wohnten noch immer zusammen, doch wegen ihres behinderten Sohnes erinnerte ihre Beziehung an die alten Wetterhäuschen, wo der Mann draußen ist und die Frau im Haus, oder die Frau draußen und der Mann im Haus. Ich wußte nicht, ob Robert von Wenches Beziehung zu Johannes wußte, ich selber wußte alles. Die literarische Szene war damals sehr übersichtlich.
Robert gehörte zu den Klienten, die immer mehr davon ausgingen, daß ich die Verantwortung für alle Aspekte ihres Lebens übernahm. Er gehörte auch zu denen, die sich allzusehr mit ihren literarischen Meriten identifizierten. Ein paar Monate zuvor hatten wir uns im Casino-Keller getroffen, und er hatte den ganzen Abend darüber lamentiert, daß seine Beziehung zu Wenche schon immer seine literarischen Siege und Niederlagen spiegelte. Wenn ihm ein Buch gelang, war er auch im Ehebett erfolgreich, kam jedoch eine negative Rezension, wurde er im ehelichen Schlafzimmer mit dem Zölibat bestraft. Ich sagte, das sei nicht sein Problem, vielmehr das von Wenche.
Es gefiel mir nicht, daß er ohne Anmeldung auftauchte, das sagte ich ihm deutlich. Ich wollte meine Ordner und ähnliche Dinge beiseite räumen, ehe ich jemanden in die Wohnung ließ; äußerlich konnte eine ziemliche Unordnung bei mir herrschen. Aber Robert wirkte so erregt, als er im Treppenhaus stand, daß ich ihn doch einließ. Bevor wir ins Wohnzimmer traten, fragte ich:
Was ist los, Robert? Steckst du mal wieder fest?
Er kam sofort zur Sache. Ich habe den Verdacht, daß ich nicht der einzige bin, dem du hilfst, sagte er.
Ich sah keinen Grund, das abzustreiten. Na gut, sagte ich, vielleicht kommen auch noch andere zu mir. Na und? Bist du nicht zufrieden mit dem, was du bekommen hast?
Ich mußte an Jesu Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg denken. Robert gehörte zu den allerersten, denen ich seinerzeit geholfen hatte, und wir hatten klare Abmachungen getroffen. Meine Abmachungen mit anderen Arbeitern im Weinberg gingen ihn nichts an.
Ich schob ihm einen Sessel hin und holte zwei Flaschen Bier. Dann ging ich zur Stereoanlage. Chopin oder Brahms? fragte ich.
Er gab keine Antwort, sondern holte zweimal tief Luft und sagte: Du hast behauptet, ich sei der einzige.
Ich tat so, als müsse ich nachdenken: Wirklich?
Seine Schultern zuckten. Sie waren breit. Er flüsterte verbissen: Ich dachte, das sei eine Sache zwischen uns beiden, Petter.
Hör zu, sagte ich. Du beziehst dich vielleicht auf etwas, was ich vor zehn oder zwölf Jahren gesagt habe. Ich will es nicht leugnen, aber damals war alles noch etwas anders.
Ich dachte, das sei eine Sache zwischen uns beiden, wiederholte er.
Sein Gequengel ging mir auf die Nerven. Es war zu spät, darüber zu jammern, daß es im größten literarischen Pyramidenspiel aller Zeiten zu viele Teilnehmer gab, wenn man sich selbst über viele Jahre von den Almosen der Spinne abhängig gemacht hatte. Aber Undank ist der Welten Lohn. Kaum hat Professor Higgins einer hergelaufenen Blumenverkäuferin das Sprechen beigebracht, schon will sie
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