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Der Geschmack von Apfelkernen

Der Geschmack von Apfelkernen

Titel: Der Geschmack von Apfelkernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagena
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seinen Bademantel.
    - Du hast da nichts drunter, stimmts? Ist das eine Masche von dir?
    - Hey, raus habe ich gesagt.
    - Denn wenn es eine Masche ist, dann muss ich sagen, dass sie funktioniert.
    - Guck weg, du Niete.
    - Schon gut, ich gehe ja. Allerdings finde ich, dass ich das Recht habe, meinen eigenen Bademantel anzusehen. Man möchte schließlich sichergehen, dass du dir nicht ständig damit die Nase putzt.
    - Raus!
    Max duckte sich geschickt, als ich das Kissen nach ihm warf. Obwohl er schon halb aus der Tür war, drehte er sich langsam zu mir um, hob das Kissen auf, zupfte es zurecht und lehnte sich an den Türrahmen. Das Kissen im Arm stand er da und sagte nichts, und plötzlich hatte ich am ganzen Körper Gänsehaut.

    Max schüttelte den Kopf, warf das Kissen auf den Fußboden und verließ das Zimmer. Ich zog den Bademantel aus und hörte, wie Max die Treppe hinunterging. Sollte er doch.
    Ich zog mir frische Unterwäsche an, und dann stand ich vor einem Problem. Die schwarzen Sachen von der Beerdigung waren zu fein und zu warm, die zweite Garnitur schwarzer Sachen war staubig und verschwitzt. Es blieb mir nichts anderes übrig, als in den alten Schränken zu stöbern. Dieses pinkorange Hängerchen von Harriet musste es tun. Harriets und Ingas Sachen passten mir besser als die meiner Mutter. Die waren mir zu eng.
    Als ich unten war, dachte ich, Max wäre ganz verschwunden. Doch dann fand ich ihn draußen. Er saß auf der Treppe vor der Haustür, die Ellbogen auf dieOberschenkel und den Kopf in die Hände gestützt. Eine Stufe unter ihm standen drei Eimer weiße Farbe. Ich setzte mich neben ihn auf die steinerne Stufe.
    - Hey.
    Ohne die Stirn aus der Hand zu nehmen, wandte er mir das Gesicht zu und guckte mich durch den Arm an. Seine Miene war düster, aber seine Stimme klang warm, als er sagte:
    - Hey, du.
    Ich hätte gern meinen Kopf auf seine Schulter gelegt, tat es aber nicht. Sein Körper spannte sich an.
    - Wollen wir jetzt euer Hühnerhaus streichen?
    - Jetzt?
    - Warum nicht? Es bleibt noch lange hell heute. Und wenn es Nacht wird, dann macht das nichts, denn dein Kleid leuchtet bestimmt auch im Dunkeln, bei Tageslicht tun einem ja sogar die Augen davon weh.
    - Schrill, oder?
    - Äh ja. Schrill. Das ist es.
    Ich schubste ihn. Er sprang auf, holte von drinnen meine grüne Tasche. Sein Feuereifer ging mir ein bisschen auf die Nerven. Auf die Nerven ging mir auch, dass er ganz offensichtlich meine körperliche Nähe mied. Feigling. Oder hatte er irgendwo eine Freundin? Bestimmt eine Anwältin. Sie machte wahrscheinlich in Cambridge gerade einen MBA oder MLL oder was weiß ich einen KMA. Sprach alle europäischen Sprachen fließend und hatte Rehaugen und einen Körper, der sich entzückend in kleinen, sexy geschneiderten Kostümchen ausnahm. Ich kam mir dumm vor in meinem fluoreszierenden Hippie-Kittel und hätte Max gerne nach Hause geschickt. Aber hier war er nun, mit drei Eimern Farbe, wartete geduldig darauf, dass ich die Malerrolle aus derTasche holte, und ich? Ich hatte gerade ungefähr zweieinhalb Stunden geschlafen, vor Mitternacht würde ich ohnehin kein Auge zutun. Warum sollte ich also nicht das Hühnerhaus streichen?

    Ich griff mir einen Eimer und beide Rollen. Max nahm einen Eimer in jede Hand, steckte die Pinsel hinten in die Hosentasche, und so zuckelten wir um das Haus herum. Am Küchengarten vorbei, wo uns der Geruch von Zwiebeln anwehte, dann am Kiefernwäldchen entlang, in dem die Abendsonne bizarre Schatten warf, bis wir schließlich beim Hühnerhaus ankamen. Das Gras war hier hinten schon seit langer, langer Zeit nicht mehr gemäht worden. Die Wiese vor dem Haus hielt Bertha mit dem Rasenmäher kurz, aber hinter dem Haus schwang Hinnerk die Sense. Als Kind liebte ich das zischende Geräusch, unter dem die Gräser und Butterblumen hinsanken. Langsam und ruhig schritt Hinnerk dabei über die Wiese. Es war keine große Gebärde, mit der er die Sense führte, aber rhythmisch und gleichmäßig wie ein barocker Tanz.
    - Oh. Hier ist es.
    Wir standen vor der Wand mit der roten Aufschrift.
    - Max, weißt du, ich glaube, es stimmt.
    - Was stimmt?
    - Na, dass er einer war. Ein Nazi.
    - War er in der Partei?
    - Ja. Und dein Opa?
    - Nee, meiner war Kommunist.
    - Aber mein Großvater war nicht nur einfach ein Parteigenosse, er musste immer bestimmen.
    - Verstehe.
    - Harriet hat uns manchmal etwas erzählt.
    - Und woher wusste sie es?
    - Keine Ahnung, vielleicht hat sie ihn gefragt? Oder meine

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