Der Geschmack von Glück (German Edition)
zum Sandstrand an der Angelmole.
Sie gingen in die Bucht.
Nachdem sie ein Schild an die Ladentür gehängt hatten – »Genug gebraten; morgen wieder da« –, hatten sie rasch von zu Hause ihre Badeanzüge, ein paar Handtücher und den Hund geholt, und jetzt waren sie auf dem Weg zur kleinen Bucht unweit ihres Hauses, die so versteckt lag, dass sie sie schon als ihren Privatstrand betrachteten. Seit Ellies Kindheit war das ihr Rückzugsort, im Sommer hatten sie Sonnenschutz und Handtücher mitgebracht, im Winter Cider und Decken. Zahllose Nachmittage waren sie durch die Brandung gewatet, hatten Steine gesammelt oder Vögel beobachtet. Das war allein ihr Platz, und bis sie sich vor ein paar Wochen mit Graham dort getroffen hatte, hatte Ellie nie irgendjemand anderen dorthin gebeten. Nicht mal Quinn.
Als sie jetzt zum Wasser hinuntergingen, suchte sie die Strandkiesel ab und fragte sich, ob man auf so einem kleinen Fleckchen wohl zwei Herzsteine finden könnte. Mom legte die Handtücher an die übliche Stelle, Bagel stürmte schon ins Wasser, kühn und wagemutig, um gleich darauf von der allerlahmsten Welle wieder hinausgescheucht zu werden.
Ellie warf ihre Flipflops ab und watete hinein; das kühle Wasser bis zu den Knien ließ sie angenehm schaudern. Ihre Füße wurden eiskalt, die Schultern waren warm, sie legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, und die Ereignisse des Vormittags fielen von ihr ab.
»Drei ganze Wochen«, sagte ihre Mutter, als sie sich zu ihr gesellte. »Ich werde das hier vermissen.«
Ellie musste nicht nachfragen, was sie meinte. Sie war ihr ganzes Leben noch nicht länger als ein paar Tage von hier weg gewesen, und Mom nahm immer noch an, dass sie bald mit einem nicht existenten Stipendium zum Lyrikseminar fuhr. Und nicht nur das: Mom bereitete sich damit auf einen viel größeren Schritt vor. Wenn sie nach Boston fuhr und Ellie im leeren Wohnheim ablieferte, wäre das ein Vorgeschmack auf den nächsten Sommer, wenn sie tatsächlich anfangen würde zu studieren. Dieses Seminar im August war so etwas wie der Anfang vom Ende. Der Beginn ihres letzten gemeinsamen Jahres.
Ellie wusste also, was mit drei ganze Wochen gemeint war und dass sie eigentlich jetzt die Hand ihrer Mutter nehmen und so etwas wie Ja, genau oder Ich auch sagen sollte. Doch ihr Herz war immer noch verhärtet, und so starrte sie geradeaus zur unsichtbaren Grenze zwischen Wasser und Himmel.
»Drei Wochen sind gar nicht so lang«, sagte sie schließlich knapp und unversöhnlich.
Mom nickte und sah in die Ferne. Sie konnte nicht ahnen, was Ellie wirklich dachte: dass diese drei Wochen alles waren, aber dass sie die Chance wohl nicht bekommen würde. Bisher hatte sie 624 Dollar und 8 Cent gespart, und wenn sie so weiterarbeitete, hätte sie bis August knapp unter tausend. Aber das reichte noch lange nicht, und der Gedanke, Nein sagen zu müssen – die Gelegenheit sausenzulassen oder, noch schlimmer, um Hilfe zu bitten –, zog ihr Innerstes zusammen, machte sie hoffnungslos, elend und kleinlich.
Am Strand hetzte Bagel unruhig hin und her, weil man ihn zurückgelassen hatte. Als Ellie nach ihm pfiff, stürzte er sich mit leisem Jaulen ins Wasser und paddelte mit hochgereckter Schnauze auf sie zu.
»Hör mal«, sagte Mom, »ich weiß –«
Aber Ellie wollte nichts davon hören; sie holte tief Luft und sprang kopfüber in die Wellen. Der Schock des kalten Wassers ließ ihren ganzen Körper erzittern, bis zu den Zähnen. Durch schmale Lider sah sie Bagels rudernde Pfoten, und sie schwamm einige Züge, ehe sie wieder an die Oberfläche stieß.
Zu ihrer Überraschung schüttelte ihre Mutter sich neben ihr das Wasser aus den Ohren. »So schnell wirst du mich nicht los«, sagte sie, und Ellie wischte sich über die Augen. Der Meeresboden fiel hier steil ab, und sie mussten beide Wasser treten, um oben zu bleiben.
»Wollte ich gar nicht«, sagte Ellie, legte sich auf den Rücken und ließ sich treiben. Die Wellen rauschten in ihren Ohren, ihre Lippen schmeckten salzig.
»Ich weiß, du bist noch sauer auf mich wegen Graham«, sagte Mom, und Ellie schaute sie an. Tropfen hingen in ihren Wimpern, und ihr Gesicht sah gegen das dunkle Wasser sehr blass aus. »Du warst die letzten Wochen so still, und ich weiß, dass du traurig bist. Es tut mir leid.«
Eine Welle hob sie sacht und ließ sie wieder sinken, ein paar Möwen kreisten über ihnen. Das Sonnenlicht spiegelte sich unangenehm grell auf dem Wasser, Ellie
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