vorbei, und während Ellie es anblinzelte, entstand eine Idee in ihrem Kopf. Sie richtete sich auf, und ihr sonnenmürbes Hirn erwachte zum Leben, spielte unterschiedliche Möglichkeiten durch, während sie den Sanddollar geistesabwesend zwischen den Fingern drehte.
Ab morgen war ihr Vater nur eine Stunde entfernt.
Das Ganze schien auf einmal so klar und einfach wie das Offensichtlichste auf der Welt. Während sie auf dem Felsen saß, erhärtete sich ihre Gewissheit, sogar ein gewisses Gefühl der Unvermeidlichkeit, wie Zement in der Sonne, und sie war so sehr mit dem Entwerfen eines Plans beschäftigt, dass sie gar nicht hörte, wie jemand durch die Bäume kam. Doch als die Schritte auf den Kieseln knirschten, fuhr sie herum, und ihr Herz machte einen Sprung, als sie Graham erkannte.
Er lächelte sie quer über den Strand an. Er trug Khakishorts und ein blaues Polohemd, das seine Augen vor dem Grau der Umgebung leuchten ließ, und in der Hand hielt er, da war sie sicher, einen herzförmigen Stein.
»Du wirkst sehr in Gedanken versunken«, sagte er.
Ellie musste lächeln. »Hi«, sagte sie, und er neigte den Kopf, betrachtete sie amüsiert.
»Träumst du, oder heckst du was aus?«
»Ich hecke was aus«, antwortete sie, und er schien einen Augenblick zu überlegen, ehe er näher kam.
»Egal, was es ist«, sagte er. »Ich bin dabei.«
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Von:
[email protected]Gesendet: Mittwoch, 3. Juli 2013 16:48
An:
[email protected]Betreff: (kein Betreff)
Harry,
vielen Dank für die Info. Fand ich ungeheuer hilfreich.
Graham
sechzehn
Sicher, er war zu ihr zurückgekehrt. Er war aus den Bäumen über den Strand gekommen, hatte den Weg zwischen ihnen zurückgelegt. Doch man sah es in ihren Augen: Auch sie war zu ihm zurückgekehrt.
Als er den Umschlag geöffnet hatte, waren alle Zweifel von ihm abgefallen. Harry hatte sicher vorgehabt, ihn irgendwie zu warnen, doch der Inhalt hatte die gegenteilige Wirkung gehabt. Er hatte alles auf den Wohnwagentisch geschüttet – ein Durcheinander aus Internet-Suchen und archivierten Zeitungsartikeln – und ihre Vergangenheit nachgelesen. Doch deswegen wollte er sich nicht von ihr fernhalten. Es scherte ihn nicht, dass sie die uneheliche Tochter dieses steifen Senators war, genauso wenig wie ihn die Gefahr negativer Publicity oder eines Karriereknicks kümmerte.
Ihn interessierte nur, dass es ihr ganzes Verhalten erklärte: ihren Gesichtsausdruck, als sie im Hafen vor ihm weggelaufen war, die unbeantwortete Mail, den Abstand, den sie in den letzten Wochen gehalten hatte.
Es war gar nicht so, dass sie ihn nicht wollte. Sie wollte sich nur schützen.
Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Sie saßen auf dem mächtigen Felsblock, der über die Brandung ragte. Die Sonne sank tiefer, und obwohl sie inzwischen Shorts und T-Shirt trug, hatte Ellie immer noch das Handtuch wie eine Decke um sich geschlungen und zitterte trotz der Abendwärme. Ihre langen Haare waren noch feucht vom Schwimmen, ihre Nase rosa von der Sonne.
Sie hatte zuerst sprechen wollen, er auch, und ihre Worte waren gegeneinandergeprallt wie Autoskooter; dann hatten sie sich auf den Felsen gesetzt, tief Luft geholt und eigentlich ohne Grund angefangen zu lachen, bloß weil es so eine reine Freude war, wieder zusammen zu sein. Auch ohne Erklärungen oder Entschuldigungen kam es ihnen vor wie eine zweite Chance, ein Neuanfang. Es war ein Geschenk, und Graham wollte es nicht verderben. Aber manche Dinge mussten gesagt werden, also räusperte er sich und beugte sich vor.
»Ich zuerst«, sagte er, und Ellie nickte, wurde ernst. Graham zögerte und überlegte, wo er anfangen sollte. »Ich weiß, was los ist«, sagte er schließlich. »Es geht gar nicht um dich und mich. Sondern um deinen Vater.«
Sie zuckte zusammen. »Woher weißt du –?«
»Harry hat es rausgefunden«, sagte er. »Mein Manager. Er wird niemandem davon erzählen. Er wusste bloß, dass ich dich gernhabe, und hat versucht, mich zu schützen –«
» Dich zu schützen?« Ihre grünen Augen blitzten.
»Das ist eben sein Job. Aber darum geht es auch gar nicht. Es gab gar kein Problem zwischen uns, stimmt’s? Und darum ist es jetzt kein Thema mehr. Weil ich Bescheid weiß.«
Ellie runzelte die Stirn. »Natürlich ist es noch ein Thema. Das ändert gar nichts.«
»Es ändert alles «, widersprach Graham. »Mir ist deine Vergangenheit egal oder wer dein Vater ist. Es