Der gewagte Antrag
bisher nicht, will jedoch versuchen, es herauszufinden. Er möchte indes, dass Sie ihm mitteilen, wer außer Mr. Tallboys von Ihrem Tod profitieren würde.”
Ein Frösteln rann Elinor über den Rücken. Sie erhob sich, legte Chad beim Vorübergehen flüchtig die Hand auf die Schulter und ging dann unruhig im Raum auf und ab. “Jackson kann doch nicht allen Ernstes glauben, dass mein Vetter sich so weit vergessen und ein Attentat auf mich verüben lassen würde!”, sagte sie fassungslos. Jäh kam ihr Ulrics Verärgerung in den Sinn, nachdem sie seinen Heiratsantrag erneut abgelehnt hatte. “Ich weiß, er ist auf mich neidisch”, fuhr sie beklommen fort, “aber nicht so verkommen, dass er jemanden anstiften würde, mich zu töten.”
“Ein verzweifelter Mann greift zu den schrecklichsten Mitteln, um sein Ziel zu erreichen”, erwiderte John bedächtig. “Bislang hat Jackson niemanden der Anstiftung zum Mord bezichtigt. Er empfiehlt Ihnen jedoch, in Zukunft äußerst vorsichtig zu sein. Und Sie, Newcome, werden Ihre Ladyschaft unter Einsatz des eigenen Lebens beschützen!”
“Ja!”, sagte Chad mit Nachdruck. “Schließlich hat Mylady mir meines wiedergegeben.”
“Ich lege Ihnen dringend nahe, Madam, hinfort nie ohne Newcome oder einen anderen Begleiter auszureiten, bis der Verbrecher gefasst ist, der Langton gedungen hat.”
Sie war nicht fähig, den Verwalter ob seines bestimmenden Tones zurechtzuweisen. Ihr sank das Herz bei dem Gedanken, dass sie vermutlich nun keine Gelegenheit haben würde, mit Chad ungestört zusammensein zu können. Leeren Blickes schaute sie aus dem Fenster und murmelte dumpf: “Ich habe vernommen, was Sie sagten, Mr. Henson. Ich bezweifele nach wie vor, dass mein Vetter die Absicht hatte, mich unter die Erde zu bringen.”
“Bei allem Respekt, Mylady”, warf Chad ernst ein, “Sie sollten Mr. Hensons und des Gendarmen Rat befolgen.”
“Newcome ist, wie Sie gehört haben, derselben Meinung wie ich, Madam”, sagte John ruhig. “Auch Mr. Aisgill und Mr. Challenor würden gewiss diesen Standpunkt vertreten. Wir alle sind der Auffassung, dass Sie kein Risiko eingehen dürfen, denn letztlich ist es gleich, ob Ihr Cousin oder ein anderer Ihnen nach dem Leben trachtet.”
Obgleich die Herbstsonne durch die Fenster schien, hatte Elinor plötzlich den Eindruck, der Tag sei grau und düster geworden, und plötzlich war ihr kalt. Sie fröstelte, schlang die Arme um den Körper und wandte sich wieder den Herren zu. “Ich werde mich allem fügen, was Sie von mir wollen”, erwiderte sie und setzte mit einem Blick auf Chad hinzu: “In jeder Hinsicht. Der gesunde Menschenverstand sagt mir zwar, dass Ihre Vermutungen nicht zutreffen, aber ich sperre mich nicht gegen Ihren Rat. Dennoch möchte ich nicht in Vergessenheit geraten lassen, dass ich hier die Herrin bin.”
“Selbstverständlich, Madam.” John verneigte sich. “Wir alle dienen Ihnen bereitwillig und mit Freuden, weil Sie stets so umsichtig und vernünftig sind. Ich bin sicher, Sie werden gut auf sich achtgeben.”
Nachdenklich schaute sie ihn an. Auf seine Weise hatte er sie gern und war nicht nur des Lohnes wegen bei ihr geblieben. Und zum ersten Male begriff sie auch, warum Newcome sich innerlich sträubte, sie nur aus einer Aufwallung von Lust zu besitzen. Er hielt sich zurück, da er wahre Liebe für sie empfand. Auch sie liebte ihn von ganzem Herzen und klammerte sich an den Gedanken, dass es, wo der Wille war, auch einen Weg gab. Damit musste sie sich für den Augenblick begnügen.
8. KAPITEL
I n der folgenden Zeit fand Elinor nur selten Gelegenheit, ein vertrauliches Wort mit Chad zu wechseln. Ständig war jemand in ihrer Nähe, und im entscheidenden Moment wurden sie jedes Mal gestört. Zum letzten Male war sie mit Chad im Bibliotheksanbau allein gewesen. Um endlich wieder eine Möglichkeit zu haben, ihn in aller Ruhe sprechen zu können, beschloss sie eines Nachmittags, ihn erneut in das Kabinett mit den schadhaften Büchern zu locken.
Sie begab sich in die Bibliothek und war erstaunt, bis auf den bettlägerigen Payne alle anderen Berater dort anzutreffen. Auch Chad war bei ihnen und trug die neuen Sachen, die der Schneider für ihn angefertigt hatte. Sie standen ihm ausgezeichnet, und sein wundervoller Anblick brachte Elinor wieder einmal aus dem inneren Gleichgewicht. “Was ist denn hier los?”, wunderte sie sich. “Hatte ich heute eine Besprechung anberaumt?”
“Der Konstabler ist im Haus,
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