Der gewagte Antrag
Mylady”, antwortete Chad. “Er meinte, er habe es sicherer gefunden, Ihnen nicht zu schreiben, und möchte persönlich mit Ihnen sprechen.”
“Wo ist er?”, erwiderte sie und schaute sich im Raum um.
“Er ist im Empfangssalon”, erklärte John. “Wir alle waren der Meinung, er solle Ihnen seine Neuigkeiten übermitteln, wenn wir anwesend sind. Da es unsere Pflicht ist, Sie zu beschützen, müssen wir alles wissen, was er herausgefunden hat.”
Dagegen konnte Elinor nichts einwenden. “Dann bitten Sie ihn her”, forderte sie die Herren auf.
Chad verließ die Bibliothek, holte Mr. Jackson und brachte ihn zu der Countess of Malplaquet.
“Mylady”, begrüßte Cully sie und verbeugte sich etwas unbeholfen. “Unsere Nachforschungen haben zu einem eigenartigen Ergebnis geführt, das ich Ihnen und den anwesenden Herren zur Kenntnis geben muss. Es betrifft das Gewehr, von dem Mr. Newcome annahm, es müsse einem Offizier gehört haben. Ich habe den ehemaligen Besitzer ausfindig gemacht, und gestehe, dass ich etwas überrascht bin.”
Da der Gendarm nicht weiterredete, äußerte John nach einem Moment ungeduldig: “Ja, und? Spannen Sie uns nicht auf die Folter, Mr. Jackson!”
“Die Flinte war, wie man sehen konnte, einmal repariert worden”, fuhr Cully bedächtig fort. “Deshalb bin ich nach London gefahren, brachte sie zu einem Waffenschmied und erkundigte mich, ob er sie schon einmal in Händen gehalten habe. Er erkannte sie sofort und sagte, er habe sie vor Jahren in seiner Werkstatt instand gesetzt. Er entsann sich jedoch nicht gleich, wer sie ihm übergeben hatte, und musste in seinen Unterlagen nachschauen. Und dort war verzeichnet, dass der Schaden an der Büchse kurz nach der Schlacht bei Waterloo behoben worden war. Aus dem Vermerk ergab sich, dass der Waffenschmied für den Besitzer ein Wappen in die Einlegearbeiten am Schaft eingefügt hatte …”
“Ein Wappen?”, fiel Elinor dem Konstabler ins Wort. “Doch nicht das meines Vetters, oder?”
“Nein”, antwortete Cully. “Aber zweifelsfrei Lord Halsteads. Seine Lordschaft hatte das Gewehr von einem Freund erstanden und dem Waffenschmied zur Instandsetzung ausgehändigt.”
“Halstead?”, wiederholte Elinor entgeistert. “Wollen Sie damit andeuten, dass er derjenige ist, der den auf mich verübten Mordanschlag angezettelt hat? Vielleicht, weil er vermeiden wollte, die bei der Wette verlorenen zwanzigtausend Pfund zu zahlen? Haben Sie ihn aufgesucht? Wie hat er sich zu diesem Vorgang geäußert?”
“Er ist unauffindbar, Madam”, antwortete Cully bedauernd. “Selbstverständlich bin ich zur Residenz des Earl of Clermont gefahren und habe um ein Gespräch gebeten. Lord Clermont hat sich geweigert, mich zu empfangen. Sein Sekretär teilte mir mit, Seine Lordschaft habe jeden Kontakt zu seinem älteren Sohn abgebrochen, und es sei nur bekannt, dass Lord Halstead im September nach Glen Ruadh in Schottland gereist ist. Um eine Bestätigung dafür zu bekommen, dass die Flinte Lord Halstead gehört, habe ich sie diesem Mr. Colquhoun gezeigt. Er erkannte die Initialen und das Wappen des Viscount und wunderte sich, wie ich an die Waffe gekommen bin. Natürlich habe ich ihm nicht erläutert, unter welchen Umständen sie in meine Hände gelangt war. Das ist alles, was ich in Erfahrung bringen konnte. Jetzt stecke ich mit meinen Untersuchungen in einer Sackgasse.”
“Die Wende, die sie genommen haben, ist wirklich merkwürdig”, äußerte Elinor und furchte die Stirn. “Was soll man daraus schließen? Heißt das, wir müssen allen Ernstes annehmen, dass Halstead den Mordschützen angeheuert hat?”
Cully ging nicht auf die Fragen der Countess ein und sagte: “Verständlicherweise habe ich auch Ihren Cousin überprüft, Madam. Er ist derjenige, der durch Ihr Ableben am meisten profitieren würde. Ich habe festgestellt, dass er finanziell sehr in der Bredouille ist. Überall, wo er sich aufhält, hinterlässt er unbeglichene Rechnungen. In York kann er sich nicht mehr sehen lassen, weil er sonst der Schulden wegen ins Gefängnis geworfen würde. Das kleine Gut, das er noch besitzt, ist längst verpfändet. Kurzum, er steckt bis zum Hals in Nöten. Und was seinen Leumund betrifft, so kann man ihn, gelinde ausgedrückt, nur als schlecht bezeichnen. Bei Lord Halstead hingegen sieht die Sache anders aus.”
“In welcher Hinsicht?”, warf Chad in sprödem Ton ein. Wann immer die Sprache auf den Viscount kam, fühlte er sich seltsam
Weitere Kostenlose Bücher