Der Gitano. Abenteuererzählungen
es soll mir Freude machen, ihn am Aste hängen zu sehen; denn ein Anderes hat er nicht verdient. Was meint Ihr, Sir?«
»Wohl,« antwortete Old Firehand. »Unser schöner Platz hier darf aber nicht mit dem Blute dieses Scheusals verunreinigt werden. Da draußen am
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hat er die Meinen gemordet, und da draußen an derselben Stelle soll auch seine Strafe finden. Der Ort, welcher meinen Schwur gehört, soll auch die Erfüllung desselben sehen.«
»Erlaubt Sir,« fiel Stone ein; »warum soll ich den scalpirten Rothweißen umsonst auf dem Schleifholze hierher transportirt haben? Glaubt Ihr, daß ich ein Vergnügen daran finde, den Braunhäuten dafür nun meine Schmachtlocken zu überlassen?«
»Was meint Winnetou, der Häuptling der Apachen?« fragte Old Firehand, die Gründe dieses Einwurfes begreifend.
»Winnetou fürchtet nicht die Pfeile des Ogellalla; er trägt in seinem Gürtel die Haut des Hundes von Athabaskah und schenkt den Leib des Feindes seinem weißen Bruder.«
»Und Ihr?« wandte sich der Fragende jetzt auch zu mir.
»Machts kurz mit ihm! Furcht vor den Indsmen wird wohl Keiner von uns haben; aber ich halte es nicht für nöthig, uns in unnöthige Gefahr zu begeben und dabei unsern Aufenthalt zu verrathen. Der Mensch ist ein solches Wagniß nicht werth.«
»Ihr könnt ja hier bleiben, Sir, um Euer Schlafkabinet zu bewachen,« rieth mir Ellen mit zweifelhaftem Achselzucken. »Was aber mich betrifft, so verlange ich unbedingt das Urtheil an demselben Orte vollstreckt, an welchem die Opfer des Mörders liegen. Das Schicksal bestätigt mein Verlangen dadurch, daß es ihn uns hier und nirgends anderswo in unsre Hände gab. Was ich verlange, bin ich Denen schuldig, an deren Grabe ich den Schwur gethan habe, nicht zu ruhen und zu rasten, bis sie gerächt seien.«
»Thut, was Ihr wollt, Miß!« erwiederte ich kalt und wandte mich ab. Das mehr als Unweibliche, das wahrhaft Dämonische, welches aus ihren Worten, aus jeder ihrer Mienen sprach, stieß mich heftig von ihr ab und brachte ein Schmerzgefühl in meinem Innern hervor, als bohre sich ein kalter, spitzer Stahl mir in das Herz.
Der Gefangene stand aufrecht an den Stamm gelehnt und verzog trotz der Schmerzen, welche die tief in sein Fleisch eindringenden Fesseln ihm verursachen mußten und trotz der ernsten Bedeutung, welche die Verhandlung für ihn hatte, keine Falte seines von Alter und Leidenschaft durchfurchten Angesichtes. In seinen abschreckenden Gesichtszügen stand die ganze Geschichte seines Lebens geschrieben, und der Anblick des nackten, in blutigen Farben spielenden Schädels erhöhte den schlimmen Eindruck, welchen der Mann selbst auf den unparteiischen Beschauer machen mußte.
Nach einer längeren Berathung, an welcher ich mich unbetheiligt hielt, löste sich der Kreis auf, und die Jäger rüsteten sich zum Aufbruche.
Der Wille des Mädchens war also doch durchgedrungen, und ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, daß uns daraus Unheil entstehen müsse. Old Firehand trat zu mir und legte die Hand auf meine Schulter.
»Laßt es ruhig gehen, wie es gehen will, Mann, und legt keinen falschen Maßstab an Dinge, welche nicht nach der Schablone Eurer sogenannten Bildung geschnitten sind.«
»Ich gestatte mir kein Urtheil über Eure Handlungsweise, Sir. Das Verbrechen muß seine Strafe finden; das ist einmal richtig; doch werdet Ihr mir nicht zürnen, wenn ich meine, daß ich mit der Execution Nichts zu thun habe. Ihr geht nach dem
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«
»Wir gehen, und da Ihr Euch nun doch mit der Sache nicht befassen wollt, so ist es mir lieb, Jemanden hier zu wissen, dem ich die Sicherheit unsers Lagerplatzes anvertrauen darf.«
»Wird nicht an mir liegen, wenn Etwas geschieht, was wir nicht wünschen, Sir. Wann kommt Ihr zurück?«
»Kann’s nicht bestimmt sagen; richtet sich nach Dem, was wir draußen finden. Also lebt wohl und haltet die Augen offen!«
Er trat zu Denen, welche bestimmt waren, ihn mit dem Gefangenen zu begleiten. Dieser wurde vom Baume losgebunden, und als Winnetou, welcher gegangen war um sich von der Sicherheit der Passage zu überzeugen, zurückkehrte und die Meldung machte, daß er nichts Verdächtiges bemerkt habe, schob man Finnetey einen Knebel in den Mund und schritt dem Ausgange zu.
»Mein weißer Bruder bleibt zurück?« fragte der Apache, ehe er sich dem Zuge anschloß.
»Der Häuptling der Apachen kennt meine Gedanken; mein Mund braucht nicht zu sprechen.«
»Mein Bruder ist vorsichtig wie der
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