Der Gitano. Abenteuererzählungen
ist Gefahr dabei.«
»Gefahr? Sam Hawkens und Gefahr!«
In raschen Sprüngen, welche ihm das Ansehen eines gejagten Känguru gaben, eilte er davon und las die Gewehre zusammen. Ich war ihm natürlich gefolgt und zerschnitt, die Bogen, welche zerstreut umherlagen, vom Boden nehmend, deren Sehnen, sodaß sie wenigstens für einige Zeit unbrauchbar wurden.
Niemand störte uns in dieser Beschäftung; denn die Rothhäute ahnten sicherlich nicht, daß Einige von den Verfolgten die Verwegenheit besitzen könnten, nach dem Kampfplatze zurück zu kehren. Hawkens hatte die Gewehre in den Händen, betrachtete sie mit mitleidigen Blicken und warf dann alle mit einander in das Wasser.
»Schönes Zeug, Sir, schönes Zeug! Können die Ratten hinein hecken in die Läufe, meine ich, ohne daß sie viel gestört werden. Aber kommt; es ist hier nicht geheuer, wenn ich mich nicht irre!«
Wir schlugen den gradesten Weg mitten durch Dick und Dünn ein, um so bald wie möglich das Lager zu erreichen. Nur ein Theil der Indianer war am
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gewesen, und da ich gesehen hatte, daß man uns belauscht und also Kenntniß von unserm Aufenthaltsorte genommen hatte, so stand zu vermuthen, daß die Uebrigen die Abwesenheit der Jäger zu einem Ueberfalle der Zurückgeblieben benutzt hatten.
Noch hatten wir eine ziemliche Strecke zurück zu legen, als wir einen Schuß aus der Richtung des Thalkessels vernahmen.
»Vorwärts, Sir!« rief Hawkens und beschleunigte seine Bewegungen. »Da vorn wirds lebendig, scheint es mir, und wir können die armen Braunen doch nicht so allein beim Vergnügen stehen lassen, wenn ich mich nicht irre.«
Ellen hatte noch kein Wort wieder gesprochen, und mit angstvollen Zügen drängte sie in hastiger Eile vorwärts. Es war gekommen, wie ich vorhergesagt hatte, und wenn ich auch nicht unternehmen konnte, einen Vorwurf auszusprechen, so sah ich es ihr doch deutlich an, daß sie dieselbe Einsicht hegte.
Die Schüsse wiederholten sich, und es blieb uns kein Zweifel, daß die zurückgebliebenen Jäger in einem Kampfe mit den Indianern sich befanden. Hier war Hülfe nothwendig, und trotz der Unwegsamkeit des Gehölzes gelang es uns doch in Kurzem, das Thal zu erreichen, in welches der Ausgang unseres »Schlosses« mündete. Wir hielten auf den Punkt zu, welcher diesem Ausgange gegenüber lag und wo ich die Spuren des Indianers entdeckt hatte. Jedenfalls lagen die Rothhäute im Saume des Waldes verborgen und blockirten von da aus das »Wasserthor«. Wir mußten ihnen also in den Rücken kommen, wenn wir einen Erfolg erzielen wollten.
Da hörte ich seitwärts hinter uns ein Geräusch, als dringe Jemand in aller Eile durch die Büsche. Auf ein Zeichen von mir traten die beiden Anderen ebenso wie ich hinter das dichte Blätterwerk eines Strauches und erwarteten das Erscheinen Desjenigen, welcher dieses Geräusch verursachte. Wie groß war unsre Freude, als wir Old Firehand erkannten, hinter welchem Winnetou und noch zwei Jäger folgten. Sie waren also der Verfolgung entkommen, und wenn Ellen ihre Freude über das Wiedersehen auch nicht in auffälliger Weise kund gab, so war ihr dieselbe doch in einer Weise anzumerken, welche mir die Ueberzeugung gab, daß ihr Herz gar wohl mächtiger Gefühle fähig sei und mich mit ihr vollständig aussöhnte.
»Habt Ihr die Schüsse gehört?« frug Old Firehand hastig.
»Ja.«
»So kommt! Wir müssen den Unsrigen Hülfe bringen. Denn wenn der Eingang auch so schmal ist, daß ein einzelner Mann ihn recht gut zu vertheidigen vermag, so wissen wir doch nicht, was geschehen ist.«
»Nichts ist geschehen, Sir, wenn ich mich nicht irre!« meinte Sam Hawkens. »Die Rothhäute haben unser Nest entdeckt und sich nun davor gelegt, um zu sehen, was wir darinnen ausbrüten wollen, meine ich. Bill Bulcher, welcher die Wache hat, wird ihnen ein Wenig Blei gegeben haben, und so hat der ganze Lärm also Nichts zu bedeuten, als daß wir uns noch einige Rattenfelle holen sollen.«
»Möglich, daß es so ist; aber wir müssen trotzdem vorwärts, um uns Gewißheit zu verschaffen. Auch ist zu bedenken, daß unsre Verfolger bald hier sein werden und wir es dann mit einer doppelten Anzahl Indianer zu thun haben.«
»Aber unsre versprengten Leute?« warf ich ein.
»Hm, ja; wir brauchen jeden Arm so nothwendig, daß wir Keinen von ihnen entbehren können. Der Einzelne wird sich den Eingang nicht erzwingen können; wir müssen also sehen, ob sich nicht vielleicht noch irgend Wer zu uns finden
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