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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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zuvor, gärte es in der Stadt. Nero entschloß sich angesichts leerer Kassen zu ungewöhnlichen Schritten, die ihm noch mehr Feinde schafften, als er ohnehin schon hatte. Er sandte seinen Freigelassenen Acratus nach Asien und den Redner Secundus Carrinas in die griechische Provinz Achaia. Die beiden hatten den Auftrag, mit Unterstützung einer Horde Soldaten goldene Götterbilder und wertvolle Weihegeschenke aus den Tempeln zu rauben und nach Rom zu bringen. Die übrigen Provinzen wurden zu erhöhter Tributabgabe verpflichtet. Als der Kaiser dann sogar aus den römischen Tempeln das Gold wegschleppen ließ, verscherzte er sich die letzten Sympathien seines Volkes.
    An den Häuserwänden las man Schmähschriften auf den Kaiser wie: »Ganz Rom soll zum Palast ihm werden; nach Veji wandert, ihr Bürger! Falls nicht dieser sein Palast auch bis nach Veji reicht.« Und in Gesellschaft wurden statt der früher beliebten Rätsel Spottgedichte vorgetragen.
    Nero spürte, daß die Entfremdung von seinem Volk immer größer wurde. Noch immer war der Stadtbrand Gesprächsthema Nummer eins. Wie konnte es zu einer Katastrophe solchen Ausmaßes kommen? Es gab nicht wenige Römer, die angesichts der monumentalen Neubauten meinten, der Kaiser habe Rom tatsächlich anzünden lassen, um sich mit dem Wiederaufbau ein ewiges Denkmal zu setzen. Um derlei Gerüchte ein für allemal aus der Welt zu schaffen, beauftragte Nero seinen Prätorianerpräfekten Tigellinus mit der Untersuchung der Brandursache.
    Für Tigellinus bot sich die Lösung beinahe von selbst an. Es war nicht schwer, die Christiani, die sich bei der Brandkatastrophe so seltsam verhalten hatten, als die wirklichen Brandstifter hinzustellen. Die Christiani selbst behaupteten zwar, keineswegs den Brand gelegt zu haben, machten aber kaum Anstalten, sich zu verteidigen. Viele suchten sogar die Verurteilung, so daß sich Tigellinus, als ihre Zahl überhand nahm, ratsuchend an Seneca wandte, den er auch noch in einer anderen Angelegenheit sprechen wollte. »Ich habe vieles erlebt, aber daß Menschen so bereitwillig den Tod suchen, ist mir unverständlich«, sagte er zu dem Philosophen.
    Seneca hatte sich auf eigenen Wunsch auf sein Landgut in Campanien, vier Meilen vor den Toren Roms, zurückgezogen. Er wollte sich mit Neros Politik nicht mehr identifizieren, galt aber nach wie vor als vielbeachtete Autorität. »Die Hinrichtung ihrer Anführer Paulus und Petrus«, meinte Seneca, »die Selbstverständlichkeit, mit der diese in den Tod gingen, ist für alle Christiani ein leuchtendes Beispiel geworden. Sie haben ihren Anhängern vorgemacht, wie ernst ihnen ihre Lehre ist.«
    »Was lehrt sie dieser Aberglaube?«
    »Ihr Prophet, ein gewisser Jesus, der unter der Regierung des Tiberius hingerichtet wurde, behauptete, sein Reich sei nicht von dieser Welt, erst der Tod bringe ihnen die Erlösung. Dieser Jesus ging ihnen im Tod voraus, jetzt suchen auch alle übrigen den Tod, in der Hoffnung auf ein besseres Leben.«
    »Aber das ist doch alles purer Unsinn. Oder was sagst du dazu?«
    »Sinn oder Unsinn – wer will das entscheiden. Ich meine, die Christiani sind gar nicht so weit entfernt von der Lehre der Stoiker. Auch ich glaube, daß unser Leben nur eine Vorstufe zum eigentlichen, ewigen Leben ist. Auch für mich ist der Augenblick des Todes die eigentliche Geburt des Menschen. Und durch ein tugendhaftes Leben bestimmen wir unser Fortleben.«
    Tigellinus erschrak über die Worte des Philosophen. »Du redest beinahe wie diese Christiani. Am Ende bist du sogar einer von ihnen?«
    Da lachte der alte Seneca, was selten genug vorkam, und sagte: »Meine Heimat ist die Stoa, jene Wandelhalle auf dem Marktplatz von Athen, in der Zenon aus Kition einst die Natur als das schlechthin Vernünftige lehrte. Meine Lehrer waren Attalos und Sotion. In Spanien geboren, bin ich doch beinahe ein Grieche. Ich lebe griechisch, denke griechisch. Einen alten Baum wie mich wirst du nicht mehr verpflanzen. Und tätest du's, er würde eingehen.«
    »Das sind die Worte eines Weisen«, antwortete Tigellinus, »nur helfen sie mir nicht weiter. Wie soll ich nun mit den Christen verfahren?«
    »Behandle sie, wie das Gesetz es vorschreibt; aber prüfe dein Gewissen, ob du die Gesetze auch richtig anwendest.«
    »Gesetz ist Gesetz«, sagte Tigellinus barsch, »im übrigen spreche nicht ich Recht, sondern der Kaiser. Der Kaiser ist das Gesetz …«
    »Und der Kaiser ist ein Spielball seiner Berater«, fiel Seneca dem

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