Der Gladiator
gehabt hatten, versuchten, es ihm gleichzutun.
Während der Hochverratsprozesse waren die strategisch wichtigen Punkte der Stadt von Soldaten besetzt. Nero fürchtete einen Umsturz, verschanzte sich in seinem neuen, noch unvollendeten Palast und ließ Tigellinus freie Hand. Der hielt ein furchtbares Blutgericht, das selbst vor Freunden des Kaisers nicht haltmachte. Trotzdem lebte der Kaiser in ständiger Angst; und obwohl seine Kassen beinahe leer waren, ließ er an alle Mitglieder seiner Leibgarde zweitausend Sesterzen verteilen. So hoffte er, sich ein wenig Sicherheit zu erkaufen.
Zur gleichen Zeit fanden die Christenprozesse statt, die nach dem Zwölftafelgesetz allesamt mit der Todesstrafe endeten. Für die Anklage genügte ein Zeuge. Leistete er einen Eid, daß er den Angeklagten während des Brandes mit einer Fackel oder an einem finsteren Ort gesehen habe, so genügte das für ein Urteil. Und weil die Christen zum größten Teil Unfreie waren, wurde ihnen der Sklaventod zugedacht, sie mußten am Kreuz sterben. Auf dem Marsfeld fanden tagtäglich Kreuzigungen statt. Für die Römer wurde es zum neuen Zeitvertreib, Christen sterben zu sehen.
Um sich beliebt zu machen, gab Nero den Forderungen der Römer nach und verlegte die Kreuzigungen auf die Abendstunden. Er ließ die Gekreuzigten mit Pech übergießen und anzünden. Nach Einbruch der Dunkelheit leuchtete das Marsfeld von lebenden Fackeln. Und für die Spiele im Circus hatten sich der Kaiser und seine Berater ein noch nie dagewesenes Schauspiel ausgedacht.
Arruntius Stella, der Festveranstalter Neros, suchte Vitellius auf. Er bringe eine Einladung des Prinzeps. Der Gladiator bat den kaiserlichen Abgesandten in sein Atrium und fragte nach seinen Wünschen.
»Der Kaiser«, begann Arruntius, »veranstaltet zum zweitenmal seine ›Neronia‹. Sie sollen im Theater des Pompeius, in der Saepta Julia und in seinem Circus jenseits des Tibers stattfinden und alle bisherigen Spiele in den Schatten stellen. Rom braucht in diesen schlechten Zeiten eine Aufheiterung, etwas, worüber die Leute wochenlang reden, Rom braucht Brot und Spiele.«
»Deine Einladung gereicht mir zur Ehre«, antwortete Vitellius, »doch sprich, in welchen Disziplinen wird gekämpft?«
»Es sind musische Wettkämpfe vorgesehen, Nero wird selbst als Sänger auftreten, außerdem Wagenrennen und Circusspiele.«
»Ein gutes Programm«, antwortete Vitellius, »und in welcher Kampfart soll ich bestehen?«
Arruntius Stella stemmte beide Fäuste in die Hüften. »Der Kaiser hat sich für dich einen ganz besonderen Kampf ausgedacht, etwas noch nie Dagewesenes, einen Kampf, mit dem du deinen Ruhm als Gladiator des Jahrhunderts festigen kannst.«
»Du machst mich neugierig«, sagte Vitellius, »ist's ein wilder Elefant, gegen den ich mit dem bloßen Schwert vorgehen soll, oder ein unbekanntes Tier aus den Steppen Asiens? Wie soll der Gegner heißen?«
Arruntius machte ein bedeutungsvolles Gesicht: »Der Kaiser hat mich beauftragt, dir einen Kampf gegen zehn in Löwenfelle genähte Christiani anzubieten. Du kämpfst als Retiarier mit Netz und Dreizack, die Christiani sind unbewaffnet, aber deren zehn. Als Siegprämie winken dir fünfmal hunderttausend Sesterze.«
Vitellius schwieg, dann holte er tief Luft, schüttelte den Kopf und sagte: »Seit achtzehn Jahren stehe ich nun in der Arena. Ich habe gegen ein halbes Hundert Gegner gekämpft und in den unterschiedlichsten Disziplinen. Aber jedesmal, wenn ich antrat, war der Ausgang ungewiß. Der Bessere ging als Sieger hervor. Soll ich nun ernsthaft einen Kampf aufnehmen, dessen Ende von vorneherein feststeht?«
»Es sind zehn gegen einen«, unterbrach Arruntius.
»Zehn unbewaffnete, untrainierte Christiani, in keiner Kampfestechnik vertraut, gegen einen Gladiator, der sein Leben lang nichts anderes getan hat als kämpfen. Nein, Arruntius Stella, das ist keine ernsthafte Gegnerschaft. Dir und deinem Kaiser geht es doch nur darum, zehn wehrlose Christiani vor den Augen des Publikums abschlachten zu lassen. Ich glaube, sie würden sich nicht einmal wehren. Du hast doch selbst gesehen, wie bereitwillig sie auf dem Marsfeld in den Tod gehen.«
»Du lehnst also ab?«
»Ich kämpfe gegen Gladiatoren oder wilde Tiere, aber nicht gegen Selbstmörder!«
»Es geht um eine halbe Million Sesterze«, ereiferte sich Arruntius, »du solltest dir die Sache noch einmal überlegen.«
»Da gibt es nichts zu überlegen. Mein Entschluß steht fest. Geh zu Spiculus,
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