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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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und sah den Schiffen nach, die eines um das andere ablegten und Kurs auf den unendlichen Horizont nahmen. Er wußte, daß da draußen, irgendwo an diesem Horizont das Glück seines Lebens entschwand.
    Die größte Baustelle des Römischen Reiches lag östlich von Rom nahe der Stadt Alba Fucens, wo 30.000 Sklaven beinahe elf Jahre Tag und Nacht arbeiteten. Ziel des gigantischen Projektes war die Trockenlegung des Fuciner Sees, dessen Wasserspiegel ständig schwankte. Schon Cäsar hatte die Trockenlegung geplant, versprach sie doch ein Weideland von 150 Quadratkilometern Größe.
    Das ehrgeizige Unternehmen hatte sich zu einem Prestigeobjekt entwickelt, weil Narcissus, der Leiter der Planungen, seinen Rivalen Pallas, den anderen Berater des Kaisers, zu übertrumpfen versuchte. Pallas war nach dem Kaiser zweifellos der einflußreichste Mann in Rom, seit er dem Senat Agrippina als Gemahlin des Kaisers vorgeschlagen und Claudius Agrippina geheiratet hatte. Inzwischen war es ein offenes Geheimnis, daß die Ehe nicht gerade glücklich war. Agrippina riß zunehmend die Macht an sich. Und da sie ein Verhältnis mit Pallas hatte, war dieser eine Art Schattenkaiser. Die Römer fürchteten seinen Einfluß.
    Narcissus hatte dem Kaiser das Milliardenprojekt mit der Begründung empfohlen, wenn er sich der Sache nicht annähme, würden reiche Römer den See trockenlegen und das gewonnene fruchtbare Land ihrem Privatbesitz einverleiben. Um das Wasser des Sees abzuleiten, mußte ein fünfeinhalb Kilometer langer Kanal gegraben werden, der in einen Fluß mündete. Dazu mußten ein gewaltiger Berg durchstochen, Felsen mit Quellhölzern gesprengt und Täler begradigt werden. Diese Arbeit verrichteten, in drei Acht-Stunden-Schichten von je zehntausend Mann, Sklaven, Kriegsgefangene und verurteilte Schwerverbrecher aus allen Teilen des Reiches, denen man die Wahl zwischen der Todesstrafe und der Zwangsarbeit am Fuciner See gelassen hatte.
    Elf Jahre lang war die Großbaustelle am Fuciner See deshalb Schauplatz von Mord und Totschlag. Frauen mieden die Gegend in weitem Umkreis. Ein Stück Fleisch, ein paar Früchte, eine kleine Münze waren nicht selten Ursache regelrechter Schlachten zwischen einzelnen Parteien. Diese Ausgestoßenen der Gesellschaft hausten in Zelten und wurden aus Großküchen verpflegt. Während der Arbeitszeit schaufelten sie das Erdreich mit bloßen Händen in Weidenkörbe und trugen es im Laufschritt zu den vorgesehenen Stellen. In dieser Massenansammlung von Männern gab es zahlreiche Liebschaften und Intrigen. Wer nicht an Hunger und Entkräftung starb, dem wurde bei irgendeinem Gezänk der Schädel eingeschlagen. Außer dem Leben hatten diese Männer nicht viel zu verlieren – und dieses war alles andere als lebenswert.
    Als der Kanal fertiggestellt war, arrangierte Narcissus für den Kaiser, bevor der letzte Erdwall beseitigt war und das Wasser dem See entströmte, ein Fest von unvorstellbarem Ausmaß. Claudius wünschte, daß sich Kriegsschiffe ein echtes Seegefecht lieferten. Dazu mußten Drei- und Vierruderer kilometerweit über Land gezogen oder an Ort und Stelle auf Kiel gelegt werden. Die Schiffe erforderten insgesamt 19.000 Mann Besatzung. Zur Rekrutierung dieser Besatzungen öffnete Claudius die Gefängnisse und warb auch die kräftigsten Kanalarbeiter an. Damit nicht einzelne Matrosen oder ganze Besatzungen ihre Schiffe verließen und flohen, brachte Narcissus um das gesamte Seeufer Kähne in Position. Darin postierte er Tausende von Schützen, die jeden Fluchtversuch mit Wurfspeeren vereiteln sollten.
    Außer Schiffen mit Amateuren kamen auch berufsmäßige Schiffsmannschaften, Manipel und Geschwader der Prätorianer zum Einsatz, deren Fahrzeuge mit Katapulten ausgerüstet und damit allen anderen überlegen waren. Gladiatoren aus dem Ludus magnus hatte Narcissus dazu ausersehen, auf Deck Mann gegen Mann zu kämpfen. Den Höhepunkt der Gladiatoren-Darbietungen sollte ein erneuter Kampf zwischen Pugnax und Vitellius bilden.
    Vitellius' Begnadigung durch Messalina, seine Verurteilung und die Errettung durch die Vesta-Priesterin Tullia hatten bei den klatschsüchtigen Römern lebhaftes Interesse hervorgerufen. Daß er von der Vestalin nicht Gold und Geld, sondern einen neuen Kampf gegen den erfolgreichen Gladiator Pugnax erbeten hatte, versetzte die Römer in Begeisterung. Vitellius gehörten schon allein deshalb alle Sympathien, weil kaum jemand daran glaubte, daß er Pugnax würde schlagen

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