Der Gladiator
soweit. Und wenn ich die anderen Kandidatinnen ins Auge fasse, dann frage ich mich, ob nicht auch sie nur Einfluß und Macht reizen, wo doch die Sache des Herzens die größere Rolle spielen sollte!«
Protestrufe und abfälliges Gelächter unterbrachen die Rede. »Aelia«, versuchte Narcissus sich weiter Gehör zu verschaffen, »Aelia ist über jeglichen Verdacht erhaben. Ihr Herz gehört auch heute noch dem Prinzeps. Ihre gemeinsame Tochter Antonia scheint mir Gewähr dafür, daß Aelia auch den beiden Kindern dieser Hure eine gute Mutter sein wird. Deshalb bitte ich euch, meine Herren Senatoren, stimmt für Aelia Paetina. Sie soll die Gemahlin des Kaisers werden!«
Der Applaus hielt sich in Grenzen. Als Narcissus wieder Platz genommen hatte, erhob sich Callistus, der zweite Berater des Kaisers. Er plädierte für Lollia, zumal er bezweifelte, ob Claudius überhaupt an einer Wiederaufnahme der Beziehungen zu Aelia interessiert sei. Schließlich läge die Scheidung von ihr lange zurück, und letztendlich habe ja er, der Kaiser, der Trennung zugestimmt. Es sei gefährlich, wenn eine Frau wie Aelia aus dem angesehenen Geschlecht der Tuberonen Gemahlin des Kaisers werde; sie hege zu viele Interessen für ihre eigene Familie. Lollia Paulina hingegen sei die Tochter des ehemaligen Konsuls Marcus Lollius, Familieninteressen lägen ihr fern, sie habe selbst keine Kinder, Eifersüchteleien seien also nicht zu befürchten, sie könne allen drei Kindern des Prinzeps eine gute Stiefmutter sein. Callistus vergaß nicht, auf Lollias faszinierende Anmut hinzuweisen, die bereits Caligula entzückt habe.
Diese Rede und die Kandidatin fanden im Senat schon größeren Widerhall. Doch nun erhob sich auch noch der dritte Berater des Kaisers. Pallas plädierte für die dritte Kandidatin.
»Wenn ich für Agrippina, diese edle Frau von großer Abstammung, eintrete, so nicht allein deshalb, weil ihr Vater der legendäre Germanicus war; wir alle, Römer, Senatoren, haben an dieser Frau viel gutzumachen. Zu Unrecht lebte Agrippina jahrelang in der Verbannung, von Caligula dem Tode geweiht. Ist es nicht ein Vorzeichen der Götter, daß sie diese Jahre überlebt hat? Agrippina ist von erwiesener Fruchtbarkeit und trotz schwerer Schicksalsschläge von blühender Jugend. Ihre Lauterkeit steht außer Frage, zählte sie doch zu Messalinas ärgsten Widersachern. Ihr Sohn Ahenobarbus aus erster Ehe ist ein Enkel des großen Germanicus und trägt julisches und claudisches Blut in seinen Adern. Soll diese Frau in ein anderes Geschlecht einheiraten, das dann berühmtere Ahnen vorzuweisen hat als die Familie des Kaisers?«
»Gegen diese Verbindung«, wandte Konsul Gaius Pompeius ein, »steht das römische Gesetz. Der Kaiser und Agrippina sind blutsverwandt.«
Pallas antwortete mit einem feinen Lächeln. »Warum sollen wir nicht legalisieren, was seit Caligula ohnehin Brauch ist, nämlich daß die Prinzipes sich mit Frauen aus der eigenen Familie vereinen?«
»Damit hat Agrippina in der Tat die größte Erfahrung!« rief Ollius dazwischen und spielte auf ihr Verhältnis mit ihrem Bruder Caligula an.
Pallas tat, als hörte er den Zwischenruf nicht, und fuhr fort: »Ehen mit Bruderstöchtern sind zwar bei uns Römern unüblich, in anderen Ländern aber durchaus der Brauch. Gerade in jüngster Zeit hat sich unser Recht grundlegend geändert. Heute ist erlaubt, was gestern noch bestraft wurde, anderes wird geahndet, während unsere Väter noch straffrei ausgingen. Warum soll Claudius seine Nichte Agrippina nicht heiraten dürfen, wo er doch keinen Hehl daraus macht, daß seine Zuneigung über die des Onkels weit hinausgeht.«
Die Rede des Pallas überzeugte die Senatoren. Nach kurzer Diskussion faßten sie den Entschluß, dem Kaiser die Heirat mit seiner Nichte Agrippina zu empfehlen. Als sich die Tore der Kurie öffneten und die Senatoren hinausströmten, verbreitete sich die Kunde auf dem Forum wie ein Lauffeuer. Pallas hatte alles vorbereitet. Gruppen scharten sich zusammen, bildeten Sprechchöre und riefen: »Agrippina für den Kaiser! Agrippina für den Kaiser!« So zogen sie durch die Straßen zum Palast, wo sich eine große Menschenmenge ansammelte, um dem Prinzeps ihren Willen kundzutun: »Agrippina für den Kaiser!«
Die Schlangen der Karren, Maultiere und Lastenträger auf der Via Ostiensis schienen unendlich. Bepackt mit ihrer meist armseligen Habe strebten die Juden dem Hafen zu, wo eine Flotte von zweihundert Frachtschiffen bereitlag.
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