Der gläserne Drache Band II (German Edition)
wirklich Besseres mit meiner Zeit und meiner Kraft anzufangen!“
„Ja, ich weiß!“ grollte Tanis. „Du brauchst deine Kraft und deine Zeit, um hinter jedem Rock herzulaufen, der in deine Reichweite kommt. Denkst du denn, ich wüsste das nicht?“
„Was willst du?“ fragte Wigo geringschätzig. „Da ich mich nicht wie du habe in Ketten legen lassen, steht mir doch frei, mich als Mann zu beweisen, wo immer sich mir die Möglichkeit dazu bietet. Und ich habe nicht vor, wie ein Eunuche zu leben, nur weil du das tust.
Also scher‘ dich um deine eigenen Dinge! Mit welchem Recht willst du mir vorschreiben, was ich zu tun habe?“
Gondar hatte den Disput der Brüder bisher schweigend angehört. Nun räusperte er sich und sagte:
„Streitet nicht! Ihr seid beide sowohl im Recht als auch im Unrecht.
Du, Tamao, kannst deinem Bruder nicht verübeln, dass er diese gewaltige Anstrengung für einen mehr als fraglichen Erfolg einer unwichtigen Sache nicht auf sich nehmen will.
Aber du, Waco, musst dich zu Recht tadeln lassen, denn auch mir missfällt dein Benehmen! Bisher hatte ich Nachsicht mit dir, da ihr von Romando so lange eurer Freiheit beraubt gewesen wart und es verständlich war, dass du die wiedergewonnene Freiheit auskosten wolltest.
Doch mittlerweile treibst du es zu weit! Dein Benehmen, das du den Frauen am Hof gegenüber zeigst, lässt sich weder mit deinem Stand als zukünftiger Fürst noch mit der angestrebten Ritterwürde vereinbaren.
Ab sofort wirst du dich den Damen am Hof gegenüber mit dem nötigen Anstand verhalten und deine Finger von den Frauen des Gesindes lassen! Solltest du meine Anweisungen missachten, wirst du mit entsprechenden Strafen zu rechnen haben.
Wenn du deine Männlichkeit beweisen willst, tue das auf dem Turnierplatz! Ich bin auch gern bereit, mich nach einer geeigneten Braut für dich umzusehen, damit dein Ungestüm in legale Bahnen gelenkt wird.
Deine zahllosen Liebesaffären jedoch werde ich nicht länger dulden!“
Gondar erhob sich verärgert und verließ den Raum. Sofort fuhr Wigo seinen Bruder wütend an:
„Das ist allein deine Schuld! Hättest du nicht mit deinem Liebesgesäusel angefangen, hätte mich Gondar nicht zurechtgewiesen!
Also verschone mich in Zukunft mit den Auswirkungen deiner Liebeskrankheit!“
Er eilte hinaus, und die Tür flog hinter ihm mit lautem Krachen ins Schloss.
Tanis saß wie versteinert auf seinem Stuhl. Er war vom Benehmen seines Bruders wie vor den Kopf geschlagen. Zwar hatten sich die Brüder gelegentlich gezankt, aber so einen heftigen Streit hatte es noch nie gegeben.
Doch dann wurde ihm bewusst, dass Wigo sich seit ihrer Ankunft in Torgard stark verändert hatte. Sein immer schon heftiges Temperament äußerte sich nun öfter in Wutausbrüchen, wenn etwas nicht nach seinem Kopf ging.
Sogar mit Malux hatte er sich einmal auf dem Turnierplatz angelegt, als dieser ihn eine Parade, die Wigo nicht korrekt ausführte, zehnmal hatte wiederholen lassen. Beim elften Mal hatte Wigo mit den Worten „ Dann mach es doch selbst! “ wutentbrannt sein Schwert weggeschleudert.
Doch den beherrschten Malux hatte er damit nicht aus der Fassung bringen können. Malux hatte Wigo nur angesehen, und unter dem zwingenden, ruhigen Blick des Freundes hatte der junge Mann schließlich wortlos die Waffe aufgehoben und die Übung dann doch mit Erfolg fortgesetzt.
Aber nun fielen Tanis immer mehr Dinge ein, vor denen er in brüderlicher Liebe die Augen verschlossen hatte. Wigo hatte sich dem Gesinde gegenüber eine hoffärtige Haltung angewöhnt, und sogar viele Mitglieder des Hofes behandelte er in einer herablassenden, fast schon beleidigenden Weise.
Tanis seufzte. Was war nur aus seinem freundlichen und stets hilfsbereiten Bruder geworden?
Fast wünschte er, ihre wahre Herkunft wäre nie entdeckt worden. Der sensible Tanis spürte genau, dass es die neu errungene Stellung und Macht war, die den Wandel in Wigos Wesen hervorrief.
Doch was konnte er dagegen unternehmen? Wigo ging in der letzten Zeit seine r eigenen Wege, und nur selten geschah es außerhalb der Unterrichtsstunden, dass die Brüder etwas gemeinsam unternahmen.
Somit hatte sich Wigo der Einflussnahme seines Bruders fast völlig entzogen. Tanis nahm sich vor, einmal mit Malux darüber zu sprechen, ob dieser nicht eine Möglichkeit sah, wie man Wigo von seinem verhängnisvollen Weg abbringen konnte.
Voller Sorge machte sich Tanis auf den Weg zum
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