Der gläserne Drache Band II (German Edition)
sie hatten nichts dazu gesagt. Doch die besorgten Blicke der Eltern zeigten deutlich, dass auch sie dieser Wandel in Wigos Charakter erschreckte.
Bevor Tanis und Wigo wieder aufbrachen, hatte der Vater Tanis auf die Seite genommen.
„Achte auf deinen Bruder!“ hatte er Tanis gebeten. „Ich kann den Jungen kaum noch wiedererkennen, den ich sechzehn Jahre lang als meinen Sohn aufzog. Das ist nicht mehr Wigo – das ist nur noch Waco, und dieser junge Mann ist mir fremd.“
„Auch ich erkenne meinen Bruder kaum noch“, sagte Tanis traurig und umarmte Dormas. „Und ich habe leider auch keinen Einfluss mehr auf ihn. Von der engen, brüderlichen Einheit, die uns immer verband, ist nichts mehr geblieben.
Ich finde heute in Malux‘ Sohn Amaro eher einen Bruder und Freund als in meinem Zwillingsbruder, der immer wie ein Teil von mir war. Es ist, als sei mit dem Ende des Viererbundes auch meine Verbindung zu Wigo abgebrochen.
Doch wenn das der Preis für meinen Stand als Fürstensohn ist, so wünschte ich, dass Romando uns nie gefunden und wir nie erfahren hätten, wessen Söhne wir sind.
Ach, Vater, wie oft sehne ich mich nach der Zeit zurück, als wir noch als deine Söhne glücklich im Kreis der Familie lebten!“
„Sei nicht so niedergeschlagen, mein Sohn!“ tröstete ihn Dormas. „Dein Glück wird wiederkehren, wenn erst deine Braut da ist und ihr eine eigene Familie gründet. Ich bin sicher, dass du in Anina eine wundervolle Frau gefunden hast. Eure Wartezeit ist bald vorbei, und dann bekommt Torgard wieder ein glückliches Fürstenpaar.“
Noch einmal hatte Dormas ihn in die Arme gezogen, dann waren die beiden jungen Männer vom Hof geritten.
*****
Der nächste Herbst hielt seinen Einzug in Torgard, ohne dass erneut ein Zeichen von Romando auftauchte.
Wigo, in dessen Benehmen mittlerweile nichts mehr an die bäuerliche Erziehung seiner Kindheit erinnerte, schien die Bedrohung durch den Zauberer völlig verdrängt zu haben.
Oft musste Gondar ihn im Unterricht zur Aufmerksamkeit rufen, denn er zeigte nur noch mäßiges Interesse an der Vervollkommnung seiner magischen Fähigkeiten. Es reichte ihm völlig, bei den Festen am Hof die Aufmerksamkeit der Damen mit kleinen Zaubertricks auf sich zu ziehen, um sich in ihrer Bewunderung zu sonnen, bis Gondar diese Zurschaustellung verbot.
„Du bist kein Jahrmarktsgaukler, der das Volk mit Taschenspielerkunststückchen unterhalten will. Die Magie ist eine ernste Wissenschaft!“ tadelte der alte Magier, als er eines Tages Wigo nach dem Unterricht zurückhielt. „Jene, die mit dieser Gabe gesegnet sind, haben sie verantwortungsvoll und nur bei Bedarf einzusetzen und sie nicht für Kindereien zu verschwenden!
Du weißt genau, dass alle Mag ier nur ein gewisses Kraftpotential je nach Stärke ihrer Veranlagung auf einmal freisetzen können. Was wolltest du tun, wenn du deine Kräfte für irgendetwas Wichtiges einsetzen müsstest, aber deine Energien vorher für Nichtigkeiten verschwendet hättest?
Außerdem scheinst du vergessen zu haben, dass sich bald der Tag jährt, an dem ihr das Ritual zu eurem Schutz vollzogen habt. Wenn er endet und ihr keinen Ersatzzauber ausführt, sei d ihr leichte Beute für Romando!
Und für diesen Zauber braucht ihr eine Menge Energie, wenn er seinen Zweck wirklich erfüllen soll.
Also spar‘ deine Kräfte, denn in den nächsten Tagen werdet ihr genügend davon aufwenden müssen, um einen wirksamen Abwehrzauber zu errichten, der nicht nach kurzer Zeit wieder verschwindet.
Und nun kannst du gehen!“
Wütend und beleidigt wandte Wigo sich ab und ging zu Tür. Da rief ihm Gondar nach:
„Und noch etwas! Herward ist der Meinung, dass ihr beide und sein Sohn Amaro für die Prüfungen zur Schwertleite bereit seid. Obwohl ich finde, dass eure Ausbildungszeit sehr kurz war, verlasse ich mich hier auf sein Urteil, denn er ist ein erstklassiger Kämpfer, der eure Fähigkeiten besser einschätzen kann als ich.
Ich habe daher geplant, in vier Wochen das große Turnier abzuhalten. Die Boten zu den anderen Edelleuten, die Söhne im entsprechenden Alter haben, sind schon abgegangen. Ihr habt also noch Zeit, euch in den Dingen zu vervollkommnen, wo es vielleicht noch Schwächen gibt.
Aber ich warne dich, Waco! Sollte ich beim Turnier merken, dass du deine magischen Fähigkeiten einsetzt, um einen Vorteil zu erringen, werde ich dich ungeachtet deines Standes sofort von den Kämpfen ausschließen!
Im
Weitere Kostenlose Bücher