Der gläserne Schrein (German Edition)
hole Bardolf. Er hat sich ein wenig niedergelegt. Seine Erkältung, wisst Ihr …» Sie verließ den Raum, und wenig später betrat der Hausherr die Stube. Für einen Augenblick sah er Christophorus ebenso verblüfft an wie vorher seine Gattin.
«Nun, Bruder Christophorus, was hat das zu bedeuten?», fragte Bardolf, nachdem er sich mit Jolánda seinem Besucher gegenüber am Tisch niedergelassen hatte.
Christophorus strich sich bedächtig über sein braunes Wams und die gleichfarbige Hose. Diese Kleidungsstücke waren der Auslöser für die Verblüffung der beiden gewesen. «Ich bin nicht Bruder Christophorus», antwortete er ruhig.
«Ach.» Bardolf musterte ihn aufmerksam. «Wer seid Ihr dann?»
«Sein Zwillingsbruder.»
«Wie bitte?», rief Jolánda empört. «Sein Zwillingsbruder? Wollt Ihr uns auf den Arm nehmen? Ich sehe doch genau, dass …»
«Warte, Jolánda.» Beschwichtigend legte Bardolf ihr eine Hand auf den Arm. «Lass ihn ausreden.» Er nickte Christophorus auffordernd zu. «Ihr sagt also, Ihr seid sein Bruder. Verratet Ihr uns auch Euren Namen und den Grund für Euer plötzliches … Auftauchen?»
Christophorus griff nach einem der leeren Weinbecher und drehte ihn zwischen den Händen. «Mein Name ist Christoph Schreinemaker, Sohn des Tischlermeisters Beatus Schreinemaker aus Frankfurt. Mein Bruder Robert trat von vielen Jahren in den Frankfurter Dominikanerkonvent ein und legte dort unter dem Namen Christophorus die ewigen Gelübde ab.» In kurzen Worten fasste er das zusammen, was er in Burtscheid schon Marysa erzählt hatte.
Jolánda starrte ihn entsetzt an. «Ihr habt Euch also die ganze Zeit für Euren Bruder ausgegeben?»
«Nein, das habe ich nicht», erwiderte Christophorus. «Dennoch habt Ihr recht, wenn Ihr mich einen Betrüger nennen wollt.»
«Einen Betrüger?» Die Stubentür flog auf, und Jolándas Vater stürmte herein. «Wahrlich, Ihr elender csaló ! Ihr seid als Ablasskrämer und Inquisitor aufgetreten!»
Christophorus nickte Bernát mit eherner Miene zu. «Das bin ich.»
Bernát fluchte und wollte sich auf ihn stürzen, doch Bardolf hielt ihn gerade noch zurück. Bernát stieß seinen Schwiegersohn grob beiseite und baute sich drohend vor Christophorus auf. «Ihr habt vorhin behauptet, der Sohn von Beatus Schreinemaker zu sein. Ist das wahr?»
Jolánda merkte auf. «Kennst du ihn?»
Bernát nickte finster, schüttelte jedoch sogleich den Kopf. «Ich habe von ihm gehört», sagte er, nun etwas ruhiger. «Er hat einem Freund von mir einst das Leben gerettet.»
Nun starrte Christophorus ihn verblüfft an. «Einem Freund von Euch?»
Langsam ließ sich Bernát auf einen der Stühle sinken. «Lehel Rotstein, der jüdische Geldwechsler, hat jahrelang mit mir Geschäfte gemacht. Wie ich hörte, hat Euer Vater seinen Einsatz für ihn mit dem Leben bezahlt.»
Christophorus nickte.
Mit versteinerter Miene lehnte sich Bernát auf seinem Stuhl zurück.
«Weiß Marysa, wer Ihr wirklich seid?»
Einen Moment lang schwieg Christophorus, dann nickte er erneut. «Sie weiß es seit vorgestern.»
Bardolf legte den Kopf zur Seite. «Sie hat Euch für dieses Geständnis nicht den Hals umgedreht», stellte er fest.
Um Christophorus’ Mundwinkel zuckte es. «Sie hatte es zunächst vor», sagte er und blickte Bardolf ruhig in die Augen.
«Aha.» Bardolf verstand. Ehe Jolánda erneut aufbrausen konnte, nahm er ihre Hand und drückte sie beruhigend. «Weiß Marysa, dass Ihr jetzt hier seid?»
«Nein.»
Jolándas Augen verengten sich. «Warum nicht?»
«Weil …» Christophorus atmete tief ein. «… ich ihr Vertrauen nur gewinnen kann, wenn ich zuerst das ihrer Eltern erlange.» Kurz blickte er zu Bernát auf, der ihn weiterhin grimmig anstarrte. «Und das ihres Großvaters», fügte er hinzu. «Ich möchte Euch um Euer Einverständnis bitten.»
«Einverständnis wozu?», fragte Jolánda argwöhnisch.
Christophorus blickte nun ihr mit ernster Miene in die Augen. «Marysa zu heiraten.»
Jolánda stieß geräuschvoll die Luft aus. «Nein», rief sie erschrocken. «Das ist unmöglich. Ihr könnt nicht …»
«Jolánda, sei still!», unterbrach Bardolf sie ungewohnt ruppig, nahm jedoch gleichzeitig ihre Hand. «Bitte», fügte er etwas freundlicher hinzu. Schließlich wandte er sich an Christophorus. «Euch ist bewusst, dass Ihr soeben den Kopf in die Schlinge gelegt habt, nicht wahr?»
Christophorus nickte.
«Ihr liebt sie.»
«Ja.»
«Ihr riskiert, dass wir Euch ans Messer
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