Der gläserne Schrein (German Edition)
Schreinwerkstatt ja allein weiterführen. Und nun hoffen wir – Jolánda und ich –, dass sie sich bald entschließt, einen der beiden zu heiraten, damit die Werkstatt wieder einen Meister bekommt. Leider zögert sie noch, weil …»
«Dann ist sie gar nicht verheiratet?», rutschte es Christophorus heraus. Verblüfft blickte er den Goldschmied von der Seite an. «Ich dachte …»
Bardolf blieb stehen. «Was dachtet Ihr?»
Christophorus ärgerte sich über seine unbedachten Worte, hatte sich jedoch schon wieder im Griff. «Ich dachte …», formulierte er vorsichtig, «dass sie sich meinen Ratschlag zu Herzen genommen und sich einen neuen Ehemann erwählt hätte.»
«Ihr habt ihr diesen Ratschlag gegeben?»
«Kurz bevor ich fortging», bestätigte Christophorus.
Bardolf lachte. «Dann bin ich ja froh, dass ich nicht der einzige Mann bin, auf den sie nicht hört.» Er wurde wieder ernst und musterte Christophorus aufmerksam. «Sie behauptet, ihr Geschäft lasse ihr keine Zeit, über die Wahl eines neuen Gatten nachzudenken. Vielleicht stimmt das zum Teil sogar, denn sie war in den vergangenen Monaten wirklich sehr beschäftigt. Wenn sie nicht gerade mit Reliquien handelt, kümmert sie sich um Éliás.»
«Éliás?» Erstaunt hob Christophorus den Kopf. «Ein weiterer Geselle?»
Bardolf lachte schallend. «Gott bewahre! Nein, damit müssten wir wohl noch etliche Jahre warten. Und dann möchte ich sehr hoffen, dass er einmal die Goldschmiedekunst erlernen wird. Der Schreinbau in allen Ehren, aber meine Werkstatt würde ich doch ganz gern meinem Sohn vererben.»
«Eurem Sohn?» Plötzlich begriff Christophorus. Die Erleichterung, die ihn überkam, äußerte sich in einem breiten Grinsen. «Ihr seid Vater geworden, Meister Goldschläger?»
«Im Sommer», bestätigte Bardolf. Der Stolz war ihm deutlich anzusehen.
«Geht es Frau Jolánda denn gut?»
«Ausgezeichnet sogar. Allerdings hat sie sich wohl jetzt in den Kopf gesetzt, Marysa müsste auch so bald wie möglich Mutter werden, damit die Kinder gemeinsam aufwachsen können.»
«Wäre das nicht in Eurem Sinne?» Christophorus wich einer Magd aus, die zwei große Eimer voller Kohlrüben schleppte. An der Einmündung zum Markt blieb er stehen.
«Ich muss zum Dom», sagte Bardolf, und sie gingen einträchtig in die entsprechende Richtung. «Sicher würde mich das freuen, das sagte ich ja bereits. Aber Marysa steht der Ehe nicht sehr wohlwollend gegenüber. Reinold hat es fertiggebracht, ihr fröhliches Wesen fast vollständig zu unterdrücken. Ich kann nicht sagen, ob er dies mit Absicht tat oder weil er selbst ein Sauertopf war – Gott hab ihn selig. Aber mir scheint, sie bliebe lieber für den Rest ihres Lebens allein, als zu riskieren, dass ihr Ähnliches noch einmal widerfährt. Dabei kann ich mir nicht vorstellen, dass Leynhard sie schlecht behandeln würde.»
«Leynhard?»
«Ihr Geselle», erklärte Bardolf. «Wir hoffen, dass er sich ein Herz fasst und um sie wirbt. Er wäre mir als Schwiegersohn willkommen, mehr jedenfalls als dieser Gort Bart, mit dem Hartwig uns seit Monaten auf die Nerven geht. Ihr erinnert Euch doch an Marysas Vetter?»
Christophorus merkte auf. «Versucht er noch immer, ihr das Leben schwerzumachen?»
Bardolf nickte. «Er beansprucht die Vormundschaft. In ihrer derzeitigen Situation …»
Christophorus runzelte die Stirn. Also hatte er sich nicht getäuscht. Hartwig führte wieder etwas im Schilde. «Wenn ich irgendwie helfen kann …»
«Mit Hartwig werden wir schon fertig.» Bardolf sah Christophorus wieder von der Seite an. «Ihr spielt auf Euer Versprechen an, nicht wahr? Ihr habt Marysas Bruder gelobt, Euch um sie zu kümmern. In dieser Angelegenheit werdet Ihr wohl nichts ausrichten können. Hartwig gibt erst Ruhe, wenn Marysa wieder verheiratet ist. Gort sagt ihr nicht zu, also gehe ich davon aus, dass sie sich für Leynhard entscheiden wird. Es sei denn …» In Bardolfs Augen trat ein nachdenklicher Ausdruck.
«Was?», hakte Christophorus leicht beunruhigt nach.
«Es sei denn, ihre Weigerung, erneut eine Ehe einzugehen, hätte noch einen anderen Grund.» Bardolf blieb erneut stehen, diesmal weil er einem mit Mehlsäcken beladenen Karren Platz machen musste, der von zwei Müllergesellen zwischen den Ständen des Marktplatzes hindurchgeschoben wurde.
«Was für einen anderen Grund sollte sie haben?»
Bardolf blickte ihm abschätzend in die Augen. «Was könnte eine Frau wohl von einer Heirat abhalten,
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