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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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fröhlich. «Die Schuhe können wir am Freitag wieder abholen, sagt Meister Gottfried.» Er grinste breit. «Auf dem Rückweg sind wir über den Markt gegangen, Herrin. Ihr glaubt nicht, wen wir da getroffen haben!»
    Marysa schmunzelte. «Sicher werdet ihr es mir gleich berichten.»
    Jaromir nickte. «Wir haben zuerst gedacht, wir sehen nicht richtig. Aber dann …»
    «Frau Jolánda! Frau Jolánda! Schnell!», ertönte plötzlich die Stimme Ulfs, eines Lehrjungen Bardolfs.
    Die beiden Frauen und die Knechte eilten zur Werkstatt, die wie in Marysas Haus die vorderen Räume einnahm. Ulf gestikulierte wild. «Es gab schon wieder einen schlimmen Unfall in der Chorhalle!», berichtete er aufgeregt. «Kurz nachdem Meister Goldschläger mich losgeschickt hat, um Sachen aus der Werkstatt zu holen, muss es passiert sein. Als ich wieder hinkam, hatten die Dompfaffen bereits alles abgesperrt.»
    «Um Himmels willen!» Jolánda wurde aschfahl. «Ist Bardolf verletzt? Was ist geschehen?»
    «Es heißt, einer der Holzbalken sei vom Dach herabgestürzt», antwortete Ulf. «Aber sie lassen keinen mehr rein. Ich weiß nicht, was mit dem Meister ist.»
    «O Gott, wie entsetzlich!» Jolánda rang die Hände. «Ich muss sofort zum Dom! Marysa …»
    «Wir gehen gemeinsam, Mutter.» Auch Marysa spürte Angst in sich aufsteigen, doch sie versuchte, ruhig zu bleiben. «Milo und Jaromir, ihr begleitet uns.»
    «Tibor und Orsolya», wandte Jolánda sich indes an das treue Dienstbotenpaar, das ebenfalls herbeigeeilt war. «Sorgt bitte dafür, dass hier alles ruhig bleibt.» Rasch holte sie ihren Mantel. Auch Marysa schlüpfte in ihren wollenen Winterumhang, wenig später waren sie bereits auf dem Weg zur Unglücksstelle.
    «Die anderen haben alle Pause gemacht. Ich bin mit dem Meister raus, um zur Werkstatt zu gehen», berichtete Ulf unterwegs. «Der Meister hat mir nochmals genau gesagt, was ich alles mitbringen soll, dann ist er wieder rein.» Die Stimme des erst zwölfjährigen Jungen kippte fast über. Er war sehr blass.
    «Bist du sicher, dass er wieder in die Halle gegangen ist?», hakte Marysa nach.
    Ulf hob verzagt beide Hände. «Ich hab gesehen, wie er reingegangen ist. Aber er meinte, dass ich mir Zeit lassen soll, weil er noch ins Zunfthaus wollte.»
    «Ins Zunfthaus?»
    «Zu Meister Hont.»
    «Bestimmt wegen Hyldeshagen», vermutete Jolánda mit zitternder Stimme. «O Gott, bitte lass ihn wirklich dorthin gegangen sein!»
***
    «Nanu! Seid Ihr es, Bruder Christophorus?» Bardolf war gerade aus dem Zunfthaus in der Kreme getreten und mitten auf der Gasse stehen geblieben, als er den hochgewachsenen, breitschultrigen Mann im Dominikanerhabit erkannte. «Ich hätte nicht gedacht, Euch noch einmal wiederzusehen.»
    Christophorus blieb ebenfalls stehen. «Guten Tag, Meister Goldschläger. Auch ich war mir nicht sicher, ob mich mein Weg noch einmal nach Aachen führen würde.»
    «Was gab den Ausschlag?» Bardolf lächelte. «Lasst mich raten: die Chorhalle, nicht wahr? Ihr wittert ein gutes Geschäft während der Kirmes zur Einweihung. Allerdings seid Ihr recht früh dran. Bis Januar sind es noch einige Wochen.»
    «Mag sein», stimmte Christophorus ihm zu. «Aber mir scheint, Aachen ist auch ein guter Ort zum Überwintern.»
    «Nun, dem will ich nicht widersprechen. Weilt Ihr wieder im Ordenshaus in der St.-Jakob-Straße?»
    «Ich hatte vor, dort unterzukommen», bestätigte Christophorus. Über das gemietete Zimmer in der Herberge vor der Stadtmauer schwieg er tunlichst. Er hatte beschlossen, sich tatsächlich im Konvent zu melden, denn nach allem, was er inzwischen in Erfahrung gebracht hatte, würde ihm von Bruder Eldrad keine Gefahr drohen.
    Die beiden Männer gingen langsam nebeneinander die Kreme entlang.
    «Ihr seid also noch nicht lange in Aachen?», fragte Bardolf. «Habt Ihr Marysa bereits einen Besuch abgestattet?»
    «Nein, dazu hatte ich bisher keine Gelegenheit», antwortete Christophorus, vermied es jedoch, Bardolf direkt anzusehen. «Sie …» Er zögerte kurz, weil er nicht wusste, wie er die Frage nach Marysas neuem Gemahl am besten formulieren könnte. «Sie ist doch hoffentlich wohlauf?»
    Lächelnd nickte Bardolf. «Es geht ihr ausgezeichnet. Seit Eurem Fortgehen hat sich in unserer Familie einiges verändert, müsst Ihr wissen. Marysa hat den Reliquienhandel ihres Vaters übernommen – sehr erfolgreich, möchte ich sagen. Außerdem hat sie zwei Gesellen eingestellt, denn zwei Jahre lang darf sie die

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