Der gläserne Wald
Offiziere standen schon hinter ihm.
»Unfasslich flüsterte der Kapitän. Dort, wo sich jetzt in weitem Umkreis glühender, nackt gebrannter Boden hätte erstrecken müssen, standen und bogen sich arm- und schenkeldicke Pflanzenranken, zwischen deren grünlichbraunen Blättern zahlreiche fingerlange Dornen drohten. Trotz seiner gewaltigen Masse war das Schiff nicht einmal bis auf den festen Boden hinabgesunken, sondern hing auf federnden Ranken, die es von unten und allen Seiten stützten.
In einer plötzlich aufsteigenden Panik hätte der Kapitän beinahe den Notstartknopf eingeschlagen, aber er gewann die Beherrschung rechtzeitig zurück.
»Werenko, veranlassen Sie, dass alle Landungsboote vor diesen Dingern gewarnt werden! Kurze Beschreibung, Sie verstehen? -Sie sollen sich weder uns noch anderen solchen Phänomenen nähern. Höchste Dringlichkeit und unverschlüsselt.«
Der Hinweis aus einem Buchfilm war ihm eingefallen, dass es sinnlos sei, artfremder Intelligenz gegenüber Funktexte zu kodifizieren. Er vergaß den Gedanken sofort wieder, nachdem Werenko gegangen war. Er dachte auch nicht weiter darüber nach, gegen wie viele Punkte der Dienstvorschrift er verstieß, indem er das Raumschiff ohne Bodenkontakt der Festigkeit von Pflanzenranken anvertraute.
Er befahl Hajan, eine Kampfgruppe und Spezialisten mit tragbaren Messgeräten zusammenzustellen, und begab sich dann in seine Kabine, um sich umzuziehen. Er musste um jeden Preis genaueres wissen.
Als er in der Luftschleuse ankam, warteten dort schon die zwanzig Männer, die er befohlen hatte. Wie der Kapitän trugen sie alle den leichten Kampfanzug der Raumpolizei, der weder zur Tarnung noch zum Schutz konstruiert war, dessen Hauptzweck es vielmehr war, möglichst viele Gegenstände möglichst bequem am Körper zu tragen, so dass sie die Bewegungen des Trägers nicht hinderten. So waren sie reichlich mit Waffen und Geräten, mit Seilen, Haken und Laserschneidern ausgerüstet.
Sein Blick glitt prüfend über die Männer. Sie wirkten bedrückt und verschüchtert, aber er nahm an, dass dies auf seine Gegenwart zurückzuführen war. Die meisten Teilnehmer an dieser Expedition waren einfache Soldaten, die sich vor einem hohen Offizier mehr fürchteten als vor dem Feind.
Die Lastplatte des Antigravkrans war groß genug, um den ganzen Stoßtrupp auf einmal zu tragen. Als sie hinaustraten, spürten sie das leichte, federnde Schwanken des Schiffes noch deutlicher als im Innern. Es machte sie unsicher und ängstlich, und darum bemerkte nur der Kapitän, dass nichts von der Gluthitze zu spüren war, die man so kurz nach einer Landung hätte spüren müssen. Dass irgendein Material dem Plasmastrom standhalten konnte, erschien wunderbar genug; wo aber war die ungeheure Hitzeenergie geblieben, die hier getobt hatte? Derartige Energiemengen konnten nur durch Umwandlung beherrscht werden. Selbstverständlich verfügte Adapor über die entsprechenden Techniken, doch durfte man solche Anlagen hier erwarten?
Die Gedanken des Kapitäns verfingen sich im Wust des Unerklärbaren, weil er den einzig möglichen Schluss nicht zu ziehen bereit war.
Sanft berührte die Transportplatte die Dornenranken, die sich unter der Last des Schiffes nicht einmal straff spannten, sondern sich nur leicht nach unten bogen. Mit den Fingerspitzen überprüfte der Kapitän die Temperatur der nächsten Ranke und der Heckdüsen. Er hatte kein anderes Ergebnis erwartet: beide Materialien fühlten sich kühl an.
Inzwischen hatten die Männer mit Loten den Abstand zum Boden ausgemessen. Insgeheim amüsierte sich der Kapitän über dies Verfahren, das die Menschen sicherlich schon vor Jahrtausenden angewandt hatten; aber es war die einzige Methode, die unter diesen Verhältnissen vertrauenswürdige Ergebnisse lieferte.
»Gut vier Meter!« meldete ein Gefreiter und ließ, um die Richtigkeit seiner Behauptung unter Beweis zu stellen, das Lot mehrmals auf dem Boden aufschlagen. Es erzeugte dabei ein dumpfes, hallendes Geräusch, das sich anhörte, als liege eine Höhle unter ihnen.
Sie befestigten die Haken ihrer Seile an der Brüstung der Lasttransportplatte und ließen sich ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen hinab. Als sie unten ankamen, hatten die meisten von ihnen schon verschiedene Kratz- und Stichwunden von den Dornen, zwischen denen sie hindurchgeklettert waren.
Die ungezügelt wuchernde Kraft der Dornenhecke bedrückte sie. Wie schreckliche Filigrane zeichneten die Arme und Finger der
Weitere Kostenlose Bücher