Der Glanz des Mondes
schweigend saß ich da und versuchte die Kontrolle über mich wiederzugewinnen.
»Nun, darüber werden wir noch einmal reden. Meine andere Frage gilt Ihrem Rückzug Richtung Küste. Wir rechneten damit, dass Sie sich nach Maruyama zurückziehen würden.«
Ich berichtete ihm von meinem Abkommen mit den Terada und von dem Plan, mit Schiffen in Hagi einzufallen, von der Seeseite aus ins Schloss einzudringen und den Otoritruppen gleichzeitig als Köder eine Armee zu schicken, die sie an Land beschäftigte. Er war sofort begeistert von dem Plan, wie ich es erwartet hatte, und noch viel faszinierter von der Möglichkeit die Otori anzugreifen, ehe Hagi mit Einbruch des Winters uneinnehmbar wurde.
»Können Sie die Terada dazu bringen, sich mit mir zu verbünden?«, fragte er; seine Augen glühten vor Ungeduld.
»Ich denke, dass sie eine Gegenleistung fordern werden.«
»Finden Sie heraus, was. Wie schnell können Sie bei ihnen sein?«
»Wenn das Wetter hält, dauert es weniger als einen Tag sie zu benachrichtigen.«
»Ich zähle in vielerlei Hinsicht auf Sie, Otori. Enttäuschen Sie mich nicht.« Er sprach mit der Überheblichkeit eines Oberherrschers, aber ich denke, wir wussten beide, wie viel Macht auch ich bei dieser Abmachung in Händen hielt.
Ich verneigte mich wieder und sagte, während ich mich aufsetzte: »Dürfte ich Sie etwas fragen?«
»Gewiss.«
»Wenn ich im Frühjahr zu Ihnen gekommen wäre und Sie um die Erlaubnis gebeten hätte, Lady Shirakawa zu heiraten, hätten Sie eingewilligt?«
Er lächelte, so dass die von seinem Bart umrahmten weißen Zähne aufblitzten. »Die Heirat mit Lord Fujiwara war bereits beschlossene Sache. Trotz aller Zuneigung zu Lady Shirakawa und zu Ihnen, eine Heirat zwischen Ihnen beiden war unmöglich geworden. Ich konnte einen Mann von Fujiwaras Rang und mit seinen Verbindungen nicht beleidigen. Im Übrigen…«, er beugte sich vor und senkte seine Stimme, »teilte Fujiwara mir ein Geheimnis über Iidas Tod mit, von dem nur sehr wenige wissen.« Wieder kicherte er. »Lady Shirakawa ist eine viel zu gefährliche Frau, als dass man sie in Freiheit leben lassen könnte. Ich sehe es sehr viel lieber, dass sie bei jemandem wie Fujiwara unter Verwahrung bleibt. Viele fanden, sie hätte zum Tode verurteilt werden sollen; in gewisser Weise hat er ihr durch seine Großmut das Leben gerettet.«
Ich wollte nichts mehr über Kaede hören, es machte mich zu wütend. Mir war klar, dass ich mich nach wie vor in einer gefährlichen Situation befand und nicht zulassen durfte, dass Gefühle mein Urteilsvermögen trübten. Trotz Arais Freundlichkeit und seines Angebots eines Bündnisses konnte ich ihm nicht völlig trauen. Ich spürte, dass ich zu glimpflich davongekommen war und er noch irgendetwas gegen mich im Schilde führte, das er bislang noch nicht enthüllt hatte.
Als wir uns erhoben, sagte er beiläufig: »Wie ich sehe, haben Sie Shigerus Schwert. Darf ich es sehen?«
Ich zog das Schwert aus meinem Gürtel und reichte es ihm. Er nahm es ehrfürchtig entgegen und zog es aus seiner Scheide. Das Licht fiel auf die glänzend blaugraue Klinge und zeigte ihre wellenförmigen Ornamente.
»Die Schlange«, sagte Arai. »Es fühlt sich perfekt an.«
Ich sah, wie sehr er es begehrte, und fragte mich, ob er wohl von mir erwartete, es ihm zum Geschenk zu machen. Ich hatte nicht die Absicht.
»Ich habe geschworen, es bis zu meinem Tod zu hüten und an meinen Erben weiterzugeben«, murmelte ich. »Es ist eine Kostbarkeit der Otori…«
»Natürlich«, erwiderte Arai kühl, ohne das Schwert aus der Hand zu legen. »Da wir gerade von Erben sprechen: Ich werde Ihnen eine passendere Braut verschaffen. Lady Shirakawa hat zwei Schwestern. Ich erwäge die ältere mit Akitas Neffen zu verheiraten, aber was die jüngere angeht, ist noch nichts beschlossen. Sie ist ein hübsches Mädchen und ähnelt ihrer Schwester sehr.«
»Danke, aber ich kann nicht an Heirat denken, solange meine Zukunft noch so ungeklärt ist.«
»Nun, es besteht auch keine Eile. Das Mädchen ist erst zehn.«
Er führte ein paar Schläge mit dem Schwert und Jato schnitt kummervoll durch die Luft. Ich hätte es ihm am liebsten entrissen und seinen Hals damit durchtrennt. Ich wollte Kaedes Schwester nicht, ich wollte Kaede. Inzwischen war mir klar, dass er ein Spiel mit mir trieb, ich wusste nur nicht, worauf er hinauswollte.
Wie einfach wäre es gewesen, ihn, während er mich angrinste, mit den Augen zu fixieren und, nachdem
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