Der Glanz des Mondes
außer Gefahr. Das Wasser im Hafenbecken brodelte wie in einem kochend heißen Bottich. Unser Boot trieb auf die Mauer zu, wurde kurz zurückgesogen, dann schlug es mit einem grässlichen Krachen dagegen.
Wir kenterten. Im nächsten Moment fand ich mich mit Armen und Beinen rudernd unter Wasser wieder, sah die Wasseroberfläche über mir und versuchte hinaufzuschwimmen. Ryoma war etwa einen Meter von mir entfernt. Ich sah sein Gesicht, den offenen Mund, als riefe er um Hilfe. Ich bekam seine Kleider zu fassen und zog ihn nach oben. Gemeinsam tauchten wir auf. Er schnappte keuchend nach Luft und geriet, wild um sich schlagend, in Panik. Dann packte er mich und hätte mich beinahe erwürgt. Sein Gewicht zog mich wieder unter Wasser. Ich kam nicht von ihm frei. Ich wusste, dass ich den Atem sehr lange anhalten konnte, aber früher oder später würde auch ich, trotz aller Stammesfähigkeiten, Luft holen müssen. In meinem Kopf begann es zu pochen und meine Lungen schmerzten. Ich versuchte mich aus seiner Umklammerung zu befreien, wollte ihn am Hals packen, ihn lang genug außer Gefecht setzen, um uns beide zu retten. Meine Gedanken waren vollkommen klar. Er ist mein Onkel, dachte ich, nicht mein Sohn. Und dann: Vielleicht stimmte die Prophezeiung ja doch nicht!
Ich konnte nicht glauben, dass ich durch Ertrinken den Tod finden sollte. Mein Blick trübte sich, abwechselnd wurde mir schwarz und weiß vor Augen und ich spürte einen quälenden Schmerz im Kopf.
Es zieht mich hinüber in die nächste Welt, dachte ich, da durchbrach mein Gesicht die Wasseroberfläche und ich rang gierig nach Luft.
Zwei von Fumios Männern waren bei uns im Wasser, mit Seilen am Anleger gesichert. Sie waren zu uns hinabgetaucht und hatten uns beide an den Haaren herausgezogen. Sie zerrten uns auf die Steine, wo wir uns wieder erbrachen, vor allem Meerwasser. Ryomas Zustand war schlechter als der meine. Wie viele Seefahrer und Fischer konnte er nicht schwimmen und hatte eine panische Angst vor dem Ertrinken.
Inzwischen prasselte der Regen hernieder, dass die Festlandküste in der Ferne nicht mehr zu erkennen war. Die Piratenschiffe knarrten und ächzten, als das bewegte Wasser sie gegeneinander prallen ließ. Fumio kniete sich neben mich.
»Wenn du jetzt laufen kannst, gehen wir besser hinein, bevor der Sturm richtig losbricht.«
Ich stand auf. Mein Hals tat mir weh und die Augen brannten, aber ansonsten war ich unverletzt. Jato steckte immer noch in meinem Gürtel und auch die anderen Waffen waren noch da. Es gab nichts, was ich gegen das Wetter tun konnte, aber ich war erfüllt von Wut und Sorge.
»Wie lange wird er anhalten?«
»Ich denke nicht, dass es ein richtiger Taifun ist, wahrscheinlich nur ein normaler Sturm, wie er hier öfter vorkommt. Gegen morgen früh wird er sich ausgetobt haben.«
Aber Fumio war zu optimistisch gewesen. Der Sturm hielt drei Tage an, und weitere zwei Tage war die See für Ryomas kleines Boot zu rau. Es musste ohnehin erst ausgebessert werden, und erst am vierten Tag nach den heftigen Regenfällen waren die Reparaturen beendet. Fumio wollte mich in einem seiner Piratenschiffe zurückschicken, doch ich mochte in ihnen oder in ihrer Nähe nicht gesehen werden, aus Furcht, Spionen dadurch meine Pläne zu enthüllen. Unruhig verbrachte ich die Tage, in Sorge um Makoto - würde er auf mich warten oder nach Maruyama umkehren, würde er mich nun, da er von meiner Zugehörigkeit zu den Verborgenen wusste, ganz verlassen und wieder nach Terayama zurückgehen? - und in noch größerer Sorge um Kaede. Ich hatte nicht vorgehabt, sie so lange allein zu lassen.
Fumio und ich hatten Gelegenheit zu vielen Gesprächen, über Schiffe und Navigation, Seeschlachten, Bewaffnung der Besatzung und dergleichen. In ständiger Begleitung der Schildpattkatze, die ebenso neugierig war wie ich, inspizierte ich alle Schiffe und Waffen, die sie hatten, und war von der Macht der Terada immer stärker beeindruckt. Und jeden Abend, während von unten der Lärm der miteinander wetteifernden Matrosen und ihrer singenden und tanzenden Mädchen zu uns heraufdrang, unterhielten wir uns bis spät in die Nacht hinein mit Fumios Vater. Ich lernte den Scharfsinn und den Mut des alten Mannes immer mehr zu schätzen und war froh, ihn als Verbündeten gewonnen zu haben.
Der zunehmende Mond befand sich bereits im letzten Viertel, als wir endlich bei ruhigem Seegang ablegten, spät am Nachmittag, um die Abendflut zu nutzen. Ryoma hatte sich von den
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