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Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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sie Sorgen und Ängste. Sie vermisste die rein körperliche Nähe ihres Ehemannes mehr, als sie es je für möglich gehalten hätte; sie war eifersüchtig auf Makoto, weil er Takeo begleiten durfte, während es ihr selbst verweigert worden war. Sie sorgte sich um Takeo und war zugleich böse auf ihn.
    Sein Streben nach Rache ist ihm wichtiger, als ich es bin, dachte sie oft. Hat er mich nur geheiratet, um seine Rachepläne vorantreiben zu können? Sie glaubte an seine tiefe Liebe, aber er war ein Mann, ein Krieger, und vor die Wahl gestellt, das wusste sie, würde er sich für die Rache entscheiden. Ich würde es genauso machen, wäre ich ein Mann, sagte sie sich. Ich kann ihm nicht einmal ein Kind schenken, wozu tauge ich als Frau überhaupt? Ich hätte als Mann geboren werden sollen. Möge es mir vergönnt sein, dereinst als Mann auf diese Welt zurückzukehren!
    Sie sprach mit niemandem über diese Gedanken. Es war auch niemand da, dem sie sich hätte anvertrauen können. Sugita und die anderen Ältesten gaben sich ihr gegenüber höflich, sogar herzlich, schienen ihre Gesellschaft jedoch zu meiden. Sie beschäftigte sich den ganzen Tag, beaufsichtigte die Arbeiten im Haushalt, ritt mit Amano aus und fertigte Kopien der Aufzeichnungen an, die Takeo ihr anvertraut hatte. Nach dem versuchten Diebstahl hatte sie dies als eine kluge Vorsichtsmaßnahme angesehen und hoffte, dass ihr die Arbeit helfen würde, die Grausamkeit von Takeos Vorgehen gegen den Stamm zu verstehen und die Qualen, die es ihm bereitet hatte. Sie selbst war von den Massakern angewidert gewesen, ebenso wie von den Leichenbergen nach der Schlacht von Asagawa. Es brauchte so lange, einen Menschen großzuziehen, und ein Leben war so einfach auszulöschen. Sie fürchtete Vergeltung, von den Lebenden wie von den Toten. Aber was konnte Takeo anderes tun, wenn so viele sich verschworen hatten, um ihn zu töten?
    Auch sie hatte getötet oder Männer in ihrem Auftrag töten lassen. War der Verlust ihres Kindes eine Strafe für ihre eigenen Taten gewesen? Ihre Bedürfnisse waren dabei, sich zu ändern; inzwischen trieb es sie dazu, zu beschützen und sich zu kümmern, Leben zu schaffen statt zu zerstören. War es möglich, ihre Domäne zu halten und gewaltlos über sie zu herrschen? Die vielen einsamen Stunden gaben ihr die Zeit, um über diese Fragen nachzudenken.
    Takeo hatte versprochen, innerhalb von einer Woche wieder da zu sein; die Zeit verstrich, er kam nicht zurück und Kaedes Unruhe wuchs. Was die Zukunft der Domäne anging, mussten Dinge in Angriff genommen und Entscheidungen getroffen werden, doch die Ältesten wichen ihr weiterhin aus, und jeden Vorschlag, den sie Sugita unterbreitete, quittierte er mit einer tiefen Verbeugung und dem Rat, doch lieber die Rückkehr ihres Ehemannes abzuwarten. Zweimal unternahm sie den Versuch, die Ältesten zu einer Ratsrunde einzuberufen, aber einer nach dem anderen bat darum, sich wegen Unpässlichkeit entschuldigen zu dürfen.
    »Wie erstaunlich, dass alle am selben Tag krank werden«, bemerkte sie Sugita gegenüber scharfzüngig. »Ich wusste gar nicht, dass das Klima in Maruyama für ältere Leute so ungesund ist.«
    »Haben Sie Geduld, Lady Kaede«, antwortete er. »Nichts ist so eilig, als dass es vor Lord Takeos Rückkehr entschieden werden müsste, und die steht nun jeden Tag bevor. Er wird vielleicht dringende Befehle für seine Truppen haben; sie sollten für ihn bereitstehen. Im Moment können wir nur auf ihn warten.«
    Zu ihrem Ärger gesellte sich die Erkenntnis, dass sich, obwohl es hier um ihre eigene Domäne ging, immer noch alle Takeo fügten. Er war ihr Mann und auch sie musste sich ihm fügen, dennoch gehörten Maruyama und Shirakawa ihr und sie hätte in der Lage sein sollen, dort zu tun, was sie für richtig hielt. Etwas in ihr war schockiert darüber, dass Takeo abgereist war, um ein Bündnis mit Piraten zu schließen. Ebenso stand sie zu seinem Umgang mit den Ausgestoßenen und Bauern, es war etwas Unnatürliches daran. All diese Dinge mussten daher rühren, dass er bei den Verborgenen groß geworden war. Diese Tatsache, die er ihr anvertraut hatte, empfand sie als anziehend und abstoßend zugleich. Nach allen Regeln ihres Standes war ihr bewusst, dass ihr Blut reiner war als das seine und dass sie von höherer Geburt war als er. Sie schämte sich für dieses Gefühl und versuchte es zu unterdrücken, doch es nagte an ihr, und je länger er fortblieb, desto stärker wurde es.
    »Wo ist Ihr

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