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Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)

Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)

Titel: Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Wochenlang ertrug sie meine Nähe nicht. Schließlich hielt sie es nicht einmal im selben Haus mit mir aus.«
    »Sie hat dich verlassen?«, fragte Alison ungläubig.
    »Ihre Mutter nahm sie eines Tages zu sich. Millie war ein seelisches und körperliches Wrack. Ich bot ihr medizinische Hilfe an, mehr hätte ich damals nicht für sie tun können, aber das lehnte sie ab. Sie musste einfach nur jemandem die Schuld geben. Und das verstand ich. Ich verstand auch, dass sie ihre Familie brauchte, vor allem ihre Mutter.«
    »Aber du hast doch auch gelitten, Lyle. Wer war denn für dich da?«
    »Ich habe mich von meiner Familie, von Freunden, Patienten und Arbeitskollegen zurückgezogen. Meistens lief ich, egal ob bei Tag oder bei Nacht, durch die Stadt oder über Landstraßen. Es war die düsterste und schmerzlichste Zeit meines Lebens. Als Millie sich entschloss, nach Hause zurückzukommen, blieb ich distanziert. Ich wusste, sie brauchte jetzt Trost von mir, Intimität, aber das konnte ich ihr nicht geben. Die Schuld, die ich wegen Jamies Tod empfand, fraß mich auf. Schließlich fing ich wieder an zu arbeiten, und irgendwie stand ich jeden Tag durch, aber die Kluft zwischen Millie und mir wurde nur noch größer. Millie fing dann an, abends mit ihrer Mutter zum Bingo zu gehen. Und irgendwann begann sie zu trinken, viel zu trinken. Ich hörte sie dann immer in den frühen Morgenstunden ins Haus kommen, hörte sie über die Möbel stolpern und gegen die Wände laufen. Mir fielen Abschürfungen und Blutergüsse an ihren Beinen auf. Eines Morgens beim Frühstück, als sie mit einem ziemlichen Kater kämpfte, schlug ich vor, sie solle doch wenigstens ihrer Gesundheit zuliebe mit dem Trinken aufhören. Sie empfand meine Worte als Kritik und nicht als Sorge um sie, und sie wurde wütend und fühlte sich in die Defensive gedrängt.«
    »Und sie trank weiter«, sagte Alison.
    Lyle nickte. »Nach ein paar Monaten fiel mir eine Veränderung bei ihr auf. Sie war voller Kummer, aber ihre Stimmung war etwas aufgehellt, und sie war nicht mehr so distanziert. Außerdem schien sie tatsächlich das Trinken reduziert zu haben. Unser Leben lief wieder mit einer gewissen Regelmäßigkeit ab – Normalität würde ich es nicht nennen, denn wir waren immer noch wie zwei Fremde, die in ein und demselben Haus wohnten. Doch es war ein wenig erträglicher geworden. Eines Abends traf ich mich mit meinem Vater auf einen Drink. Früher hatten wir uns immer mal zu einem Gespräch zusammengesetzt, aber seit Jamies Tod nicht mehr. Mein Vater wies mich darauf hin, es gebe Gerüchte in der Stadt, und zwar dahingehend, dass sich Millie mit einem anderen Mann träfe. Er meinte, es könne nicht gerade ein Schock für mich sein, denn seit Jamies Tod führten wir ja gar keine richtige Ehe mehr. Mein Dad schlug vor, ich solle mich von ihr scheiden lassen. Rückblickend muss ich sagen, ich hätte nicht derart überrascht davon sein sollen, dass sie eine Affäre begonnen hatte, aber damals konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass Millie sich mit einem anderen Mann traf. Das war das Letzte, womit ich gerechnet hatte. Eines Abends folgte ich ihr, als sie angeblich ihre Mutter besuchen wollte. Die Gerüchte erwiesen sich als wahr.« Lyle hielt einen Moment inne und sah aus dem Fenster, dann schaute er wieder Alison an und fuhr fort zu reden. »Ich stellte Millie zur Rede. Zuerst stritt sie die Affäre ab, aber dann erwachte wieder ihr Ärger über mein mangelndes Interesse an ihr. Sie wurde wütend und gab mir die Schuld daran, dass sie Trost bei einem anderen gesucht hatte. Wenn ich auch nicht gerade glücklich war über das, was sie da tat, konnte ich ihr doch nicht der Ehemann sein, den sie brauchte. Gleich damals hätte ich schon die Scheidung einreichen sollen, aber noch mehr Gefühlsaufruhr konnte und wollte ich einfach nicht ertragen. Ich dachte, sie würde mich wegen dieses Mannes verlassen, und dann wollte ich sie gehen lassen. Aber das tat sie nicht, allerdings hörte sie auch nicht auf, sich mit ihm zu treffen.« Lyle schwieg. Alison sah, dass er den Schmerz noch einmal durchlebte. Es war herzzerreißend, ihm dabei zuzusehen. »Mein Vater und ich, wir hatten uns sehr nahegestanden. Als er Weihnachten 1931 plötzlich starb, war ich am Boden zerstört. Dieses Weihnachtsfest war das schlimmste meines Lebens«, fügte er traurig hinzu. Lyle sagte nicht, dass ihm vor dem kommenden Weihnachtsfest graute, wenn sich der Todestag seines Vaters zum ersten Mal

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