Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
sie nicht leugnen.
»Lyle hat mir erzählt, er wusste nicht, dass Elena in Winton lebt, und ich glaube ihm«, sagte sie überzeugt, doch es klang selbst in ihren eigenen Ohren seltsam.
»So leichtgläubig können Sie doch wohl nicht sein, oder?«, gab Millie zurück.
»Er hat erzählt, er wusste, ihr Vater habe irgendwann einmal Interesse daran gehabt, nach Australien auszuwandern, das hat sie nämlich mal erwähnt«, sagte Alison zu ihrer Verteidigung. »Und ich gebe zu, die Wahrscheinlichkeit, dass er sie in einem derart riesigen Land zufällig wiedergetroffen hat, ist wohl denkbar gering.«
»Genau! Das ist dann ja wohl ein eindeutiger Hinweis darauf, dass sie über all die Jahre immer noch in Kontakt gewesen sind und dass dieses Treffen geplant war. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich in einem Land, das größer ist als ganz Europa, einfach so zufällig über den Weg gelaufen sind? Gleich null, würde ich sagen.«
Alison musste zugeben, dass Millie Recht hatte. Und was hatte das nun für sie zu bedeuten? »Wenn das stimmt, was Sie sagen, dass Lyle nämlich mit der Absicht hergekommen ist, um bei Elena und dem gemeinsamen Sohn zu sein, dann hätte er doch wissen müssen, dass sie verheiratet ist und drei Kinder hat«, meinte Alison, die sich bemühte, ihre wachsenden Zweifel zu verbergen.
»Ganz bestimmt hat sie sich vorgenommen, ihren Mann zu verlassen. Und das kann ich ihr nicht mal übel nehmen. Ich habe ihn nur dieses eine Mal gesehen und fand ihn herrisch, unangenehm von seinem Benehmen her und beängstigend. Es würde mich nicht überraschen zu hören, dass sie unglücklich gewesen ist in ihrer Ehe. Ich habe mal gelesen, die Väter von italienischen Mädchen arrangieren die Ehe, und das nicht selten mit so fürchterlichen älteren Männern wie Aldo Corradeo.«
»Trotzdem, das, was Sie von Lyle denken, kann einfach nicht stimmen, Millie. Er und ich … wir sind verlobt«, sagte Alison. Sie wollte Millie nicht verletzen, aber sie sollte begreifen, dass sie mit ihrer Meinung über Lyle Unrecht hatte. »Das erzähle ich Ihnen nur, damit Ihnen klar wird, dass Lyle Sie in all den Jahren Ihrer Ehe nicht betrogen hat.«
Millie blieb der Mund offen stehen. »Sie sind verlobt … mit Lyle! Seit wann denn das?«
»Noch nicht sehr lange«, antwortete Alison. Sie hob die linke Hand, um ihren Verlobungsring zu präsentieren. »Aber nachdem er Elena wiedergesehen hatte.«
»Wussten Sie da, dass er noch mit mir verheiratet ist?«
»Er sagte mir, er habe die Scheidung eingereicht. Ich selbst bin auch geschieden.«
Millie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Nach einer Weile sagte sie: »Das macht er nicht. Er heiratet Sie nicht.«
Alison mochte kaum glauben, was sie da hörte. »Vor ein paar Tagen erst habe ich ihn gefragt, ob er mich noch immer heiraten will, und er hat Ja gesagt.«
»Obwohl er Elena liebte, hat er mich geheiratet, weil ich von ihm schwanger war. Er und Elena haben eine starke Bindung durch ihren Sohn Marcus. Sie werden ein Leben lang miteinander verbunden sein.«
Alison erwiderte nichts mehr. Sie verabschiedete sich von Millie und verließ das Hotel. Sie musste jetzt über vieles nachdenken.
Als Alison ins Büro der Fliegenden Ärzte zurückkam, wartete Lyle dort schon auf sie.
»Wo bist du gewesen, Alison?«, fragte er. »Der Reverend und auch kein anderer wusste es.«
Alison sah Lyle an. Sie war erschüttert darüber, was Millie ihr erzählt hatte, und sie war sich ihrer Beziehung nicht mehr sicher. Sie musste einfach verstehen, was Lyle gedacht hatte, als er Millie verließ.
»Wie konntest du Millie so kurz nach dem Tod eures Sohnes verlassen?«, fragte sie. »Findest du das nicht grausam?« Normalerweise war sie keine der Frauen, die immer Bestätigung und Zusicherung in einer Beziehung brauchten, aber jetzt konnte sie einfach nicht anders. Wenn Lyle zu derart herzlosem Verhalten fähig war, kannte sie ihn ja vielleicht doch noch nicht richtig.
Lyle war verwirrt. »Wieso fragst du mich das?«, wollte er wissen.
»Genau so ist es doch gewesen, oder?«, erkundigte sich Alison anklagend.
»Hast du mit Millie gesprochen? Ist sie noch in der Stadt?« Lyle hatte auch mit ihr sprechen wollen, aber in den vergangenen Tagen hatten sie einen Notfall nach dem anderen gehabt, und so war er zu nichts anderem gekommen. Als Alison nicht antwortete, wusste er genug. »Wo ist sie?«, fragte er.
»Ich …« Alison wollte nicht noch mehr Chaos anrichten. »Lass sie in Ruhe,
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