Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
bei Dad. Er hat nicht viel geredet, weil er sich noch so elend fühlte, aber ich weiß, er war sehr dankbar für den Besuch Deines Vaters.
Alles Liebe, Millie.
Lyle verspürte mehr als nur einen Hauch von schlechtem Gewissen. Er wusste, er musste bald wieder nach Hause fahren und mit Millie reden. Er wollte zurückschreiben und versuchte es auch, aber jedes Wort, das er schrieb, fühlte sich wie eine Lüge an. Er hatte Pläne für eine Zukunft mit Elena.
Ein paar Tage später traf ein weiterer Brief von Millie ein.
Mein allerliebster Lyle,
ist es nicht wunderbar, dass dieser abscheuliche Krieg endlich aus ist? Alle hier in Dumfries feiern, alle, mit Ausnahme derjenigen natürlich, die einen geliebten Angehörigen verloren haben. Ich hoffte, von Dir zu hören. Wann kommst Du nach Hause? Ich habe Neuigkeiten für Dich, aber das möchte ich Dir lieber von Angesicht zu Angesicht sagen.
Alles Liebe, Millie.
Lyle nahm an, dass man Jock aus dem Krankenhaus entlassen hatte. Er wusste, Millie und ihre Mutter wären überglücklich deswegen. Er wusste auch, dass er das Gespräch mit Millie nicht länger aufschieben durfte. Es würde das Schwerste sein, was er je getan hatte, und je länger er es vor sich her schob, desto schwerer wurde es.
Lyle kam sich wie ein gemeiner Dreckskerl vor.
4
An dem Tag, als Millie diesen Brief an Lyle abschickte, stieß sie auf der High Street in Dumfries mit Alain McKenzie zusammen.
»Alain!«, rief Millie erfreut und dachte sofort an Lyle, weil sie wusste, dass die beiden Männer im selben Haus in Blackpool wohnten. »Ist Lyle auch nach Hause gekommen?«
»Nein. Im Krankenhaus geht es ziemlich hektisch zu, also wechseln wir uns ab mit dem Urlaub. Aber ich bin sicher, er wird bald auch ein paar Tage freihaben.«
»Ich kann es kaum erwarten, ihn endlich wiederzusehen«, sagte Millie, und ihre Wangen röteten sich vor lauter Vorfreude. »Ich vermisse ihn so sehr.«
Alain hatte Millie immer gemocht, weshalb ihm auch nicht gefiel, was Lyle trieb.
»Du siehst gut aus, Alain«, sagte Millie und dachte, dass etwas an ihm anders war. Er wirkte selbstbewusster, als sie ihn je erlebt hatte. Sie fand, seine Arbeit im Krankenhaus in Blackpool hatte ihm gutgetan, doch das konnte sie wohl kaum laut sagen.
»Mir geht es auch gut, Millie«, antwortete Alain und dachte an Shirley. Sie war immer in seinen Gedanken. Über ihre Beziehung konnte er mit niemandem reden, aber irgendwie wurde durch die Geheimnistuerei alles noch reizvoller. »Wir haben sehr lange Arbeitszeiten, aber es ist eine Arbeit, die der Mühe wert ist.«
»Ich wünschte, ich könnte sagen, dass Lyle das genauso sieht«, meinte Millie. »Bei seinem letzten Urlaub hier zu Hause schien er unter fürchterlichem Druck zu stehen. Er hat mir gestanden, dass ihm die grausigen Verwundungen, mit denen ihr im Krankenhaus umgehen müsst, schwer zu schaffen machen. Um ehrlich zu sein, Alain, ich mache mir ziemliche Sorgen um ihn.«
»Mir ist gar nicht aufgefallen, dass die Arbeit ihm so sehr zu schaffen macht. Er leistet Großartiges bei seinen Patienten, und in seiner Freizeit macht er einen ganz entspannten Eindruck«, erwiderte Alain. Er wollte schon sagen, dass Lyle richtig glücklich wirke, aber dann fiel ihm ein, dass das nicht angemessen war.
»Tatsächlich?« Millie war perplex. »Könnte es sein, dass er seine wahren Gefühle bei der Arbeit verbirgt?« Das schien ihr die einzig plausible Erklärung zu sein.
Alain hatte keine Ahnung, was er darauf antworten sollte, also schaute er aufs Straßenpflaster, und es kam zu einem Moment verlegenen Schweigens zwischen ihnen. »Nein, ich denke nicht, Millie«, sagte er schließlich.
»Dir muss doch etwas aufgefallen sein, Alain. Der Lyle, den du beschreibst, ist nicht der Lyle, den ich bei seinem letzten Besuch zu Hause zu Gesicht bekommen habe. Ist da etwas, das du mir nicht erzählen willst, Alain McKenzie?«, wollte Millie wissen.
»Aber natürlich nicht, Millie. Wie geht es dir denn eigentlich so?«, erkundigte sich Alain und wechselte das Thema.
»Ich war erkältet, aber ich nehme an, das ist nicht so interessant für dich«, erwiderte Millie, und ihr fiel auf, dass Alain auf einmal ganz verlegen geworden war. »Mein Vater hatte eine Lungenentzündung, aber er erholt sich recht gut.«
»Das freut mich«, sagte Alain und wollte schon weitergehen.
»Tut mir leid, Alain, wenn ich noch mal davon anfange, aber ich mache mir einfach Sorgen um Lyle. Er meinte, über vielerlei Dinge
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