Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
schmiedeeisernen Bett mit der hübschen Porzellanzierleiste, das ihr und Lyles Ehebett war.
Eine weitere heftige Wehe durchfuhr sie, und sie schrie und krümmte sich zusammen. Bonnie war bei ihr, aber sie kam sich ungefähr so nützlich vor wie eine Kerze in heftigem Wind. Nichts, was sie sagte oder tat, vermochte Millie zu beruhigen. Bonnie war wütend auf Lyle, weil er jetzt, da er so dringend gebraucht wurde, nicht bei Millie war. Sie hörte nicht auf Marjorie, die Hebamme, die schon vielen Babys auf die Welt geholfen hatte, und geschickt und voller Zuversicht alles für die Geburt vorbereitete, sondern beauftragte Kameron von nebenan, nach ihrem Schwiegersohn zu suchen.
Die Zeit verging quälend langsam. Zwei Stunden später war Kameron noch nicht zurückgekommen, und mit Millie ging es nicht voran. Selbst die Hebamme machte sich allmählich Sorgen. Lainie hatte noch einmal nachgesehen, ob Lyle inzwischen vielleicht wieder in der Praxis war, aber Cindy ließ sie wissen, dass Lyle zu einer Farm aufs Land gefahren und noch nicht zurückgekehrt war. Dr. MacAllister senior und der neue junge Arzt waren noch bei ihren Hausbesuchen, aber Dr. Dougal sollte bald wieder da sein. Lainie rief Bonnie aus Millies Zimmer und berichtete, was sie herausgefunden hatte. Sie sagte, sie habe eine Nachricht für Lyle hinterlassen, die er sofort bei seiner Rückkehr bekommen würde.
»Einmal braucht Millie ihren Mann, und dann ist er nicht da. Na, der soll mir unterkommen«, drohte Bonnie entnervt.
»Hat Lainie Lyle gefunden?«, fragte Millie, als Bonnie wieder in ihr Eheschlafzimmer kam.
»Nein«, antwortete Bonnie. »Aber mach dir keine Sorgen. Marjorie hat schon unzähligen Babys auf die Welt geholfen. Sie weiß, was sie tut.«
Eine weitere Stunde verging, und Millies Kräfte ließen langsam nach. »Wieso dauert denn das so lange?«, jammerte sie, als es mit der Geburt nicht weiter voranzugehen schien. Millie wirkte völlig erschöpft.
»Das Kind ist sehr groß«, erklärte Marjorie, nachdem sie Millie noch einmal untersucht hatte, »und hat es offenbar nicht eilig.«
»Wo ist Lyle?«, jammerte Millie wieder und wieder.
Bonnie und Marjorie hatten keine Antwort darauf.
Nachdem Lyle Frankie McTavish behandelt hatte, einen Mann Anfang sechzig, der wegen seiner Krampfadern kaum gehen konnte, brachte er es nicht übers Herz, gleich wieder zu fahren. Die Milchkühe standen brüllend im Stall, niemand war da, der ihnen an diesem Morgen Erleichterung verschaffte. Mildred, die Frau des Farmers, konnte sich wegen einer Hüftarthrose nur humpelnd fortbewegen, so nahm Lyle den McTavishs das Melken ab. Eine ganze Stunde brachte er damit zu, dann nötigte Mildred dem jungen Arzt noch Tee und Haferplätzchen auf, ehe er sich endlich auf den Rückweg machen konnte. Inzwischen war es elf Uhr, sodass Lyle nicht mehr hoffen konnte, Dumfries vor Mittag zu erreichen.
Die Kutschfahrt aufs Land genoss Lyle sehr, er hatte es deshalb auch gar nicht eilig, wieder zurückzukommen. Keine Menschenseele war unterwegs, zur einen Seite hatte er die Hügel, zur anderen die Klippen und die See. Er liebte den Frühsommer. Die Hügel und Täler waren grün, und die Sonne glitzerte auf dem Nordatlantik. Tief atmete er die frische salzige Luft ein. Er hätte sich wie einer der glücklichsten Menschen auf Erden fühlen können, aber er wusste, solch ein Mensch konnte er nie mehr sein, nicht ohne Elena. Trotzdem war er mit etwas Gutem gesegnet, und das wusste er: Er freute sich auf die Begegnung mit seinem Sohn oder seiner Tochter. Nur das hielt Lyle aufrecht.
»Ich glaube, deine Kleine kriegt ernste Probleme«, flüsterte Marjorie Bonnie zu. Sie war wie Millie in Schweiß gebadet. »Ich werde sie ins Krankenhaus bringen.«
Bonnie geriet in Panik. »Wie stellst du dir das vor? Wir können sie nicht allein die Treppe hinunterbekommen, in dem Zustand, in dem sie sich befindet«, klagte sie.
Millie war körperlich am Ende und wütend, weil Lyle nicht bei ihr war. All ihre schlimmsten Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Sie hatte viele Albträume gehabt und sich immer Sorgen gemacht, dass etwas schiefgehen könnte bei der Geburt und dass Lyle nicht bei ihr wäre.
»Was ist denn los? Was stimmt denn nicht?«, fragte Millie atemlos und völlig verängstigt. »Ich weiß, dass etwas nicht stimmt. Holt dieses Baby endlich aus mir raus.« Erneut wurde sie von einer Wehe überrollt und schrie ihren Schmerz heraus.
»Ich werde dich ins Krankenhaus bringen,
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