Der Glanzrappe
Maiskörnern.
Sie schützten die rauchigen Feuer aus bemoosten, knackenden Kiefernscheiten mit Zeltplanen, damit sie nicht ausgingen und den Eindruck erweckten, es wären noch Soldaten da, die sie schürten. Die größten Männer hatten den ganzen Tag über mit ineinander verhakten Armen eine Kette von Ufer zu Ufer gebildet, damit andere auf ihren Schultern hinübergelangen konnten. Dann hieß es, der Wasserpegel würde beständig fallen, und die schmale Pontonbrücke sei fertig.
In einer diesigen, regnerischen Nacht wurden Fackeln angezündet und Holzzäune verfeuert, um den Weg hinüber ans andere Ufer zu beleuchten. Robey und Rachel warteten im Kies am Flußufer und sahen zu, wie das Wasser hochschwappte und die Wellen sich kräuselten. Als sich das Wasser wieder zurückzog, führten sie den pechschwarzen Hengst auf die Brücke, schnitten die Vertäuung los und ließen sich durch den Sprühregen, der im Wasser kleine Kelche aufblühen ließ, hinüber nach Virginia treiben.
16 EIN SANFTER SCHATTEN
s enkte sich auf sie herab wie eine lange schwarze Haarsträhne, von der Schulter bis zur sanften Wölbung ihres Bauches. Die Sonne schien von einem makellosen blaugrünen Himmel, schickte ihre Strahlen auf ihrem Weg von Ost nach West durch die Fensterscheiben herein.
Robey schlief, auf einem Stuhl sitzend, neben ihr, die Hände auf den Knien. Zu seinen Füßen auf dem Boden hatte er ein geladenes Springfield-Gewehr gelegt, daneben den Revolver. Rachel glaubte, sie hätte geträumt, vor Schreck fuhr sie hoch, konnte ihre Träume nicht von ihren Gedanken unterscheiden.
Sie ritten nachts und schliefen tagsüber, und mit Eintritt der Dunkelheit machten sie sich wieder auf den verschlungenen Weg nach Hause. Nach Hause. Die Dunkelheit bringt die Stille, in der sich die Jäger auf den Weg machen. Für Robey und Rachel brachte die Dunkelheit die Gelegenheit zur Flucht.
»Würdest du hier leben wollen?« fragte sie und drehte ihm langsam den Kopf zu.
»Nein«, gab er zurück, wie ein Schlafredner, der nicht aufwachte. »Hier wollte ich nicht leben.«
»Wo wolltest du denn leben?«
»Da, wo ich herkomme.«
»Es ist zu hell draußen«, sagte sie. »Können wir nicht nachts schlafen?«
Er hatte ihr schon oft erklärt, daß das nicht ging. Sie mußten am Tag schlafen und in der Nacht reiten, damit niemand sie sah. Sie zog sich die Decke über die Schultern und bewegte darunter die Arme, wirkte wie ein seltsamer Vogel, der mit den Flügeln flatterte, aber in diesem windstillen, luftleeren Raum nicht fliegen konnte.
»Es ist nicht sicher«, sagte er und streckte die Beine aus, knallte mit einem Stiefelabsatz auf den Boden. Es war schon Spätnachmittag, und jetzt, wo er wach war, würde er nicht mehr schlafen können, bis die Zeit zum Aufbruch kam.
»Ich hab geträumt, daß wir beieinander schlafen«, sagte sie.
Ihre Stimme klang nüchtern, und zuerst dachte er, sie meinte ihn, in ihrem Traum, zusammen mit ihr. Aber das konnte er nicht glauben, und er überlegte, von welchem Schlafgenossen sie ihm dann erzählte. Sie schleppte ihre Vergangenheit mit sich und konnte ihr nicht entfliehen, erst recht nicht in ihren Träumen. Sie wälzte sich hin und her und schrie im Schlaf auf. Sie bestand darauf, immer ein Messer neben sich zu haben, und er mußte dafür sorgen, daß die Klinge stets scharf war. Es war in ihr, drückte von innen gegen die Rippen und pulsierte in den Lungen, wie Flügel, die vor Schreck hektisch herum f latterten.
»Schlaf noch ein bißchen«, sagte er. Immer wieder sagte er ihr das, und langsam verstand er, daß sein Ratschlag, so gut er ihn auch meinte, sie ihrem Schrecken nur näher brachte.
»Was glaubst du, wo sie hingegangen ist?«
»Ich weiß nicht«, antwortete er, setzte sich auf und sah sich im Raum um, als wäre da noch eine dritte Person.
In dem Haus, wo sie Station machten, wohnte eine zerlumpte alte Frau mit einem sonnenverbrannten, durch einen Schlaganfall verzerrten Gesicht. Ihr eines Auge war blutunterlaufen und das andere weiß und rund wie eine Elfenbeinmurmel. Sie hatte ihnen ihr Haus geöffnet und mit einer Handmühle Mehl gemahlen und daraus Teigbälle geformt, so groß wie ihre knorrige Faust. Sie hatte ihnen Kartoffeln und Speck gebraten und ein Säckchen Proviant vorbereitet für ihren weiteren Weg. Sie ging im Haus umher, wie ein verirrter Geist, verbrannte sich mehrmals beim Kochen und brauchte ziemlich lange, bis
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