Der gleiche Weg an jedem Tag
zusammengeschustert habe. Manchmal runzelt er unzufrieden die Stirn, tastet nach einem Stift und kritzelt etwas an den Rand. Der Stift durchbohrt das Blatt, ich höre, wie es knackt, plötzlich ist mir nach Lachen zumute und ich beobachte ihn mit anderen Augen. Wie er zerstreut unterm Tisch nach den Pantoffeln sucht, wie er ein halbes Gähnen zwischen den Kiefern zermalmt. Er steht auf und sucht ein Buch im Regal, er bemerkt meinen Blick und legt mehr Schwung in seine Bewegungen. Für mich bedeutet dies, dass unsere Körper sich mittlerweile aneinander gewöhnt haben und dass nur ich es bin, die in ihm manchmal einen anderen sieht. Zunehmend rundet sich sein Bild in meinen Augen, verstreut liegen die Schalen bekannter Gesten herum, die ich mit beständigem Eifer einsammle, als steckte irgendeine Bedeutung darin.
»Koch du inzwischen Kaffee«, sagt er nach einer Weile, ohne aufzusehen.
Das Wasser brodelt in der Kanne, ich nehme sie vom Feuer und zähle lautlos die Löffel Zucker und Kaffeepulver. Die Stille, in der er mich gefangen hält und die ich selbst gewählt habe, erscheint mir fast schon greifbar. Mein Körper und die nunmehr wohlbekannten Handgriffe sind der Preis für den Eintritt in sein fremdes Leben, wie ich mit gelassener Enttäuschung erahne. Worte, die ich ihm nicht gesagt, auf die ich lieber verzichtet habe, kommen mir in den Sinn, als ich mich vorbeuge, um den Knopf des Kochers herunterzudrehen. Mit gesenktem Blick gehe ich durch ihren Dunst und achte auf die heiÃe Kanne, um nichts zu verschütten. Er hat den Kopf in die Hände gestützt, meine Schritte stören ihn nicht, längst hat sein Schweigen meine Bewegungen gedrosselt. Also gieÃe ich das bittere Getränk in die schweren Tassen, unter den langen Haaren sieht sein jugendlicher Nacken, traurig gebeugt, aus dem Hemdkragen hervor.
»Da ist er«, sage ich laut.
Er hebt den Blick, Begehren liegt eine Sekunde lang darin, ich spüre regelrecht, wie sie vergeht. Das Wasser in seinen Augen ist wieder kühl, ihre Farbe ist wieder stabil. Er nickt zustimmend und zieht die dampfende Tasse mit derselben absichtsvoll nachlässigen Bewegung über das Kristallglas des Schreibtischs zu sich heran.
»Bis hierher bist du also gekommen«, sagt er und schiebt die Papiere zur Seite, um den Kaffee zu schlürfen. »Du musst wirklich zusehen, dass du fertig wirst, bevor du in die Ferien fährst â¦Â« Er runzelt die Stirn und setzt die Tasse ab. »Verstehst du? Du musst das hinkriegen, ich will nichts hören von Prüfungen oder so ⦠Geh weniger spazieren, schlaf weniger â¦Â«
»Ruf mich nicht so oft an â¦Â«, äffe ich ihn mit Mutters schneidender Stimme nach, die ich so leicht abrufen kann, dass ich gar nicht weiÃ, ob es meine ist oder ob ich sie nur imitiere. Beleidigt starre ich auf das dunkle Viereck des Fensters.
»Ist ja klar, du fasst das immer so auf«, gibt er gereizt zurück, mit den Worten des Onkels, die er gar nicht kennt. Er zieht die Schublade heraus und knallt die Zigarettenpackung auf den Tisch. Dieselbe brutale Rücksichtslosigkeit, bei der ich mich frage, ob er sie immer schon gehabt oder erst nach und nach versucht hat, seine schüchternen Bewegungen damit zu überspielen.
Ich höre ihm einigermaÃen andächtig zu, wohl wissend, dass ich, hätte mir sonst jemand so etwas gesagt, genickt und es sofort wieder vergessen hätte. So wie ich auf ihn höre, mich widersetze, widerspreche und dennoch behalte, was er mir sagt, so habe ich sonst nur auf Onkel Ion gehört. Vielleicht suche ich in Petrus tiefer, verhaltener Stimme nach dem Onkel, lauere bei jeder Begegnung auf seine zurückhaltende Sanftheit, verkrampft, enttäuscht und immer wieder voller Hoffnung. Jeden Satz, den Petru fallen lässt, nehme ich auf und wiederhole ihn abends im Bett, keines der Mädchen weià davon. Deshalb springe ich so oft vor den Spiegel, stehe sehnsüchtig vor den Schaufenstern und wünsche mir Kleider, in denen ich mich, ohne dass ich mich schämen müsste, auf der StraÃe an seiner Seite zeigen könnte. Und immer meine ich, ich sei noch nicht weit genug, seine Wohnung legt mir das Gefühl des Lebens, das ich mir wünsche, so nahe, dass ich es mit Händen greifen kann.
Ich frage mich nicht, ob dieses Leben am Ende vielleicht ebenso beengt ist wie mein bisheriges, wie mein Leben im Heim. Hier ist
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