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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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dransetzen, um vom Ministerium freigestellt zu werden. Ich erklärte ihm, dass ich noch nicht gepackt hatte und auch die Bettwäsche noch abgeben musste, und lief schnell zurück ins Heim.
    Marta, die immer noch den Schleier trug, mit dem sie in der Kirche gewesen war, tuschelte in einer Ecke des Hofes mit den Trauzeugen. Das waren alte Freunde der Familie, und die Frischvermählten hofften, durch ihren Einfluss irgendwann beide, sie und Dinu, an Stellen in der Stadt heranzukommen. Der betonierte Hof war mit Tischen vollgestellt, sie reichten bis in den Vorgarten, wo die gelblichen Ochsenherztomaten vom Staub bepudert wurden, den die sommers über die Straße rumpelnden LKW s aufwirbelten. Die Hochzeit fing erst an, die Stimmung war noch verhalten, die Gäste übten sich in Höflichkeit und bewegten sich schwerfällig, wie gelähmt von der Feierlichkeit des Augenblicks. Umso dankbarer waren sie dem Bezirksbevollmächtigten, dass er es auf sich nahm, das Eis zu brechen. »Das ist ja vielleicht ein Lebemann«, raunten sie sich zu, während er von einem Tisch zum anderen ging und rief: »Langt zu, langt zu …«, bis er schließlich dort stehen blieb, wo Dinus Brüder saßen.
    Â»Dieser Bezirk bereitet mir das meiste Kopfzerbrechen«, sagte er und verzog trotz des Gelächters keine Miene, hochrot von der Hitze und der scharfen Luft der Baustelle, auf der er arbeitete, seit er seinen Abschied von der Armee hatte nehmen müssen. »Mit solchen Leuten kriegen wir den Sozialismus nicht mehr gebacken vor der Zeit …«
    Es wurde kühl, irgendwann regnete es auch ein bisschen.
    Â»Eine Hochzeit mit Regen, die Braut hat aus dem Kochtopf genascht«, lachte Dinus Mutter.
    Sie saß an der Spitze des Tisches, hatte die Hände im Schoß verschränkt und lugte unter dem Kopftuch hinüber zu Dinus Brüdern, die, seit der Tanz begonnen hatte, nebeneinander an der Hauswand lehnten. Erst als der Wein fast alle war, stand die Alte auf und hob jauchzend die Hände über den Kopf. Und da begannen sie alle zu tanzen, sie stampften, krallten sich mit den Fingern in der Schulter des Nächstbesten fest, in Hemden und Kleidern, die verschwitzten Gesichter liefen immer röter an, die Haare glänzten vor Schweiß und Brillantine. Und als die Tänzer, wie es gerade kam, auf die herumstehenden Stühle um die vom verschütteten Wein dampfenden Tischtücher und die vollgeaschten unabgeräumten Teller voller Apfelschalen, Bratenresten und Knochen für den Hund niedergesunken waren, ging die Alte in die Sommerküche zu Martas Mutter, die gehäufte Kaffeelöffel in das im Suppentopf brodelnde Wasser zählte.
    Â»Seien Sie nicht böse«, sagte sie und führte die Hand zum Mund, als wollte sie die Worte nur nach und nach durch die knorrigen schwarzen Finger dringen lassen. »Wir verdächtigen niemanden, aber wissen Sie, das ist halt Brauch bei uns, wir möchten das Brautlaken ausloben …«
    *
    Ich schlich mich im Schatten der Mauer davon, ging in Martas früheres Zimmer und ließ mich mit geschlossenen Augen aufs Bett fallen. Die Möbel treiben, wie zuvor, mit jedem Atemzug aufwärts, festhalten kann ich mich nur an der Nachttischlampe, die über aufgeschlagenen Büchern brennt. Da ist nur ein gelber Lichtfleck, der den Halbschatten und die faltige Überdecke beleuchtet, in der sich die Umrisse seines Körpers abzeichnen, der ausgestreckt daliegt, ein einsamer Mann. Ich finde hinein, die Möbel sind zahm geworden wie auch sein mattes sanftes Lächeln, wenn er seinen schläfrig weichen Blick in meine Augen fließen lässt, wenn er gestikuliert und dabei über die Schilfmatte an der Wand streicht, die zart raschelt. Ich kann nicht mehr zurück und verharre im Bann des Schweigens, das ihn umfängt, bis seine Hand unfreiwillig durch mein langes Haar streicht und seine Arme noch zögern, etwas zu sagen.
    Gewissheit aber werde ich erst haben an dem Tag, wenn der Himmel aschgrau und steinern sein wird vor Wolken, die in dem plötzlich aufkommenden Wind dahinjagen. So stark wird der Wind sich erheben, dass er den Straßenstaub aufwirbelt und die schlaffen, verknitterten roten und trikoloren Fahnen bläht, mit denen die Blocks des Korsos und die öffentlichen Gebäude anlässlich des Nationalfeiertags am 23. August geschmückt sind. Weder die auf dem Markt errichtete hölzerne

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