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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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sich Onkel Ion zu, und man sah, dass er rundlich geworden war wie Männer, die seit geraumer Zeit verheiratet sind, so dass der Hosenbund viel zu hoch saß.
    Â»Wieso das denn, Herr Ingenieur?«, entgegnete der Onkel. An den langen Pausen merkte ich, dass er sich zwang, nicht die Stimme zu heben. Er stand ebenfalls auf und schloss die Tür zu unserm Schlafzimmer, dabei warf er einen bekümmerten Blick auf die Papiere, die auf dem Tisch herumlagen.
    Â»Ihr hattet doch gesagt, ihr zieht aus. Andere kümmern sich und suchen, aber ihr …« Pârvulescu warf den Kopf in den Nacken, sein Gesicht war jetzt rot angelaufen vor Wut oder von dem Schnaps, den er in der Küche getrunken hatte. »Ihr habt offenbar gar nicht im Sinn, auszuziehen. Ihr meint wohl, wenn mein Schwiegervater ein Blödmann war und euch hier aufgenommen hat, wo ihr doch sonstwo hingehört, hätte er nur ein Wort gesagt an der richtigen Stelle …« Seine heisere Stimme wurde immer rauer, bis er unvermittelt zu brüllen begann: »Was glaubt ihr denn, wie lange ich euch noch in meinem Haus ertrage? Nun, ich sag’s euch, dass ihr’s wisst, ich hab eine Lösung, ich brauch bloß den Mund aufmachen, und schon seid ihr auf der Straße mit eurem Kram und rauft euch die Haare, dass ihr nicht freiwillig gegangen seid …«
    Aus dem Zimmer der Vermieter hörte man Schritte und dann nichts mehr, ich wusste, es war Cornelia, die näher gekommen war und nun an der Tür lauschte.
    Â»Was sind das denn für Reden, Herr Ingenieur«, mahnte der Onkel. Seine Worte gingen im Gebrüll des anderen unter, dessen Gesicht mit den breiten Kiefern immer dunkler anlief, während er seinen schweren, in mühsamer Selbstbeherrschung bebenden Leib gegen unseren schiefen Türstock lehnte. »Was sind das denn für Reden, Herr Ingenieur – redet man so miteinander …«
    Der Vermieter hielt schnaufend inne und starrte ihn mit blutunterlaufenen Augen an. Vom Kleiderhaken aus, wo ich stehen geblieben war, fixierte ich seinen kahlen Schädel mit den flaumigen Härchen … Onkel Ion schwieg ebenfalls, verstört. In seinen Worten, die er nur halbherzig ausgesprochen hatte, erkannte er die Redeweise des anderen, er hatte sie in seiner Erregung übernommen, ohne es zu merken. Durch das Sprechen war es ihm nicht gelungen, seiner Wut Luft zu machen, sie zuckte fort in seinen müden Schläfen, während er die behaarten Fäuste dagegenpresste, dass das Blut aus ihnen wich. Eine schwere Fliege mit grünlich schimmernden Flügeln flog heftig summend gegen die verdunkelten Wände des Flurs an. Alle drei verfolgten wir ihren Flug bis zu den matten Scheiben des Fensters, das auf die Veranda ging. Dumpf prallte sie dagegen, summte noch durchdringender und nahm ihren Irrflug durch das Zimmer wieder auf.
    Â»Als ich euch hier aufgenommen hab, auch noch die Schwester mit dem Mädel, da ist euch nicht durch den Kopf gegangen, dass die Familien von Volksfeinden nix zu suchen haben in den Häusern von Leuten …«
    Â»Erst einmal: Uns aufgenommen haben nicht Sie«, sagte der Onkel.
    Aber der andere brüllte ihn sofort nieder, und das Gesumm der Fliege, die gegen das Fenster und gegen die Wände prallte, steigerte sich zur gleichen Lautstärke wie das Gebrüll des Vermieters. Da konnte es der Onkel nicht mehr ertragen, ging hin und öffnete die Tür zur Veranda. Er wartete, dass sie hinausflog und dass der andere zum Ende kam, seine Lippen verzerrt vor Müdigkeit und Überdruss. Aber bei jedem unbeholfenen Anflug verfehlte der Brummer die enge Öffnung, prallte gegen das Fenster und flog zurück, bis es dem Onkel plötzlich aufging, dass die Tür zum Hof offen stand und die Nachbarn wieder einmal den ganzen Streit mitkriegten. Da verlor er die Geduld, griff nach einem Handtuch, das am Kleiderhaken vergessen worden war, und fuchtelte zaghaft damit herum. Die Nachtluft draußen wurde kühler, vielleicht zog es die Fliege deshalb nicht hinaus, und sie prallte weiter gegen das Fenster, das alles Licht auf sich vereinte.
    Â»Aber ich red ja immer wie gegen eine Wand, ihr habt ja andere Sorgen …« Der junge Vermieter hielt unschlüssig inne, vergrub eine Hand in der Hosentasche und klimperte dort mit dem Kleingeld, während sein Bauch das Hemd blähte. Er schien seinen Vorrat an Gebrüll aufgebraucht zu haben, dafür

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