Der globale Polizeistaat
Spielzeugpistole handelt, und ob, wenn ja, er diesem Umstand die korrekte Relevanz zugewiesen hat (eine Geiselnahme ist zwar nicht so gefährlich mit einer Spielzeugpistole, kann aber unter Umständen gleichwohl gelingen).
Gerade weil das Urteil des Entscheiders von den ihm zur Verfügung stehenden Informationen abhängt, ist es schließlich wichtig, darauf hinzuweisen, dass eine Prognose immer nur korrekt sein kann in Bezug auf einen bestimmten Zeitpunkt. Denn nicht nur die wirklichen Umstände, sondern auch die darüber zur Verfügung stehenden Informationen ändern sich mit jedem Augenblick. Eine Situation, die vor wenigen Minuten noch als brandgefährlich erschien, kann jetzt schon als dummer Streich, als Versuch, Gutes zu tun, erscheinen. Was, wenn der vermeintliche Juwelenräuber plötzlich seine Maske herunterreißt und »April, April« ruft - oder der Polizist plötzlich einen Kameramann entdeckt, der den »Raubüberfall« fürs regionale Vorabendprogramm filmt. Eine korrekte Prognose im klassischen Polizeirecht, so lehrt die Betrachtung von Beispielen, ist also eine dreistellige Relation: Prognostiziert wird ein Ereignis (E) relativ zu einer Tatsachengrundlage (T) zu einem Zeitpunkt (Z).
Diese Struktur einer rechtsstaatlich eingeführten Prognose ist offenbar nicht vergleichbar mit den Aussagen, um die es bei der Einordnung von Personen als »Gefährder« geht. Zunächst fällt auf, dass die zitierten Gesetzesvorschriften nicht auf die Prognose eines Ereignisses (E) abstellen, sondern ganz generell auf »Straftaten von erheblicher Bedeutung«. Dabei handelt es sich offenbar auch nicht um eine Kette konkreter Straftaten, die als eine Art Tateinheit aufgrund gemeinsamer Tatsachengrundlage zu prognostizieren wäre, sondern um eine nur nach Art und Schwere definierte Klasse von Ereignissen. Interessant ist hier der Vergleich mit der Vorschrift aus dem Niedersächsischen Polizeigesetz, das spricht von der Abwehr einer »Gefahr, dass eine Person eine besonders schwerwiegende Straftat begehen
wird«. Das ist das bekannte Muster: Abgestellt wird auf eine Prognose vergleichbar der Gefahrenprognose, abgestellt wird auf ein konkretes Ereignis, in dem sich die Gefahr manifestiert: eine schwere Straftat, ein E.
Doch der Kampf gegen den Feind erfordert ja etwas ganz anderes: Abzustellen ist nicht auf eine konkrete Situation zu einem konkreten Zeitpunkt. So macht man keine Prävention, so reagiert man auf eine Gefahr. Die »Gefährder«-Vorschriften zielen statt auf eine konkrete Situation auf eine Person ab, die Aussagen darüber zulässt, was sie ganz generell für Taten vorhat. Die Wahrscheinlichkeitsrelation scheint also hier zwischen einer Person und einer Klasse von Ereignissen zu bestehen, und das natürlich ohne Bezug auf einen konkreten Zeitpunkt; denn allgemein klassifizierte Ereignisse treffen zwar relativ zu einer Oberklasse mit gewisser Häufigkeit auf, eine Aussage über das Wann und Wie ist aber nicht zulässig. Es ist gerade das Besondere von solchen statistischen Wahrscheinlichkeitsaussagen, dass sie keine Annahmen über die Realität zulassen. Das weiß jeder Würfelspieler: Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass eine »Sechs« kommt, ist - korrekte Würfel vorausgesetzt - genau 1/6. Doch es kann ebenso gut sein, dass er demnächst dreimal nacheinander die »Sechs« würfelt, wie auch, dass sie in seinem ganzen Leben nie mehr fällt. Darum ist es ja auch sinnlos, die Lottozahlen zu vermeiden, die in der vergangenen Woche gezogen wurden: Die (induktive) Wahrscheinlichkeit, dass dieselben Zahlen gezogen werden, ist ebenso groß wie in der Woche zuvor.
Statistische Häufigkeitsaussagen über Terroristen sind natürlich ebenfalls möglich. So lässt sich wenigstens schätzungsweise eine Zahl angeben, wie viele Islamangehörige Islamisten sind. Ebenso lassen sich statistische Aussagen darüber machen, wie viele Islamisten bislang als Selbstmordattentäter agiert haben. Ebenso, wie viele Menschen im Jahr Terroristenlager der Al Kaida absolvieren. Und von solchen Aussagen lässt sich auch allerhand Interessantes ableiten: Etwa Veränderungen in der Gewaltbereitschaft von Islamisten, vielleicht sogar die steigende Häufigkeit
terroristischer Anschläge mit islamistischem Hintergrund. Doch nützlich sind solche Schlüsse nicht fürs BKA. Denn aus statistischen Annahmen über eine Klasse von Menschen lässt sich nichts über einzelne Mitlieder dieser Klasse sagen. Die Klasse der Terrorcamp-Besucher in der
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