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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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normalen Menschen. Müller ließ Psychopathen und gesunde Kontrollprobanden im Kernspin verschiedene Tasten drücken, je nachdem, ob sie ein »X« oder ein »O« in die Röhre projiziert bekamen. Gleichzeitig zeigte er ihnen Bilder: Blumenwiesen, nackte Mordopfer, Häuser, Kriegsszenen. Während sich die normalen Probanden von den Horrorbildern emotional aus dem Konzept bringen ließen und die falschen Tasten drückten, hielten die Psychopathen ihr Leistungsniveau. Auf ihren Hirnscans fehlte der charakteristische Signalanstieg im Stirnhirn, der das Zusammenspiel von Gefühlen und Kognition kennzeichnet. Was Müller erblickte, war sozusagen ein neurobiologisches Korrelat der Kaltblütigkeit. 18

    Solche Beobachtungen bringen Wissenschaftler zu der Ansicht, dass alle Dispositionen des Menschen biologisch nachvollziehbar und damit im Prinzip auch anzuschauen sind. »Unser Handeln in einer spezifischen Situation«, sagt der Bielefelder Hirnforscher Hans Markowitsch, »ist durch die Verschaltungen in unserem Gehirn determiniert.« Die Schule der Neuropsychologen um den Frankfurter Mediziner Wolf Singer folgert aus solchen Annahmen konsequent, dass es keinen freien menschlichen Willen gebe, Böses zu tun, also die Übung der Gesellschaft, Täter ihrer Schuld wegen zu bestrafen, ein grässlicher Irrtum sei.
    Tatsächlich braucht man, ist man im Besitz der Singer’schen Methoden, bald kein Strafrecht mehr. Wenn es möglich ist, unliebsame Dispositionen der Menschen sichtbar zu machen, bevor die Probanden etwas getan haben, ließe sich bei systematischen Kontrollen nicht nur der Terrorismus, sondern jedes Verbrechen, ja jedes unliebsame Verhalten abschaffen, indem man die Kandidaten mit entsprechenden Dispositionen rechtzeitig unschädlich macht. Besonders Strafrichter werden von solchen Visionen geplagt. Axel Boetticher, früher Richter am Bundesgerichtshof, hat schon die »unglaubliche Vorstellung, aus präventiven Gründen die Gehirne von Kindern und Jugendlichen zu scannen«, um auf diese Weise junge Intensivtäter rechtzeitig aussortieren zu können. So unglaublich ist das im Übrigen gar nicht mehr. In den USA sind bereits Hirnscanner für den forensischen Einsatz entwickelt - vorerst nur zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit von Zeugen. Die Hirnscanner der nächsten Generation lassen sich vielleicht einsetzen, zu erforschen, was ein Täter über seine Tat wirklich denkt, dann ist es nur ein kleiner Schritt, die Gedanken von künftigen Tätern lange vor der Tat zu kontrollieren.
    Die biologische Versuchung wird nicht vor einem Staat haltmachen, der Bürger wie Atomreaktoren behandelt. Heute schon stehen Gesichtserkennungsscanner an den Flughäfen, warum sollten da nicht eines Tages Hirnscanner stehen, jeden Einreisenden auf terroristische Neigung zu durchleuchten?
Beim Grenzschutz das rote Türchen für Böse, das grüne für Gute? Wird die Europäische Kommission im »gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts« eine Richtlinie für die Zertifizierung aller europäischen Hirne erlassen? Wird nicht die globale Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte massiv vereinfacht, wenn jeder Mensch - oder vielleicht nur die aus Risikostaaten - ein Hirnzertifikat bei sich tragen muss, fälschungssicher, das über den Status seines limbischen Systems Auskunft gibt? Was wollen Sie denn, meine Herren, das ist nichts weiter als ein biometrisches Merkmal, das dürfen wir, das steht im Passgesetz.
    Der Gewaltforscher Jan Philipp Reemtsma fragt: »Was für eine Gesellschaft haben wir dann, wenn Menschen einem Test unterworfen werden, die keine Tat begangen haben? Die möglicherweise präventiv Erziehungsmaßnahmen unterworfen werden?« Denn - das wäre die Konsequenz: Warum soll man denn bei jemandem, dessen Gefährlichkeit man erkannt hat, warten, bis er wirklich etwas Schlimmes tut? Warum soll man es dabei belassen, ihn zu beobachten, zu verfolgen, vielleicht seine Telefone abzuhören oder seine Wohnung zu verwanzen. Muss sich ein Staat eine solche Zurückhaltung gegenüber seinen Feinden auferlegen? Warum kann man diesen Menschen nicht vorbeugend in Sicherheitsverwahrung nehmen oder noch besser irgendwohin deportieren, von wo er nie mehr zurückkommt?
    Die präventive Versuchung: Der Staat, der versucht, seine »Gefährder« zu erkennen, respektiert keine Grenzen mehr für sein Handeln. Das Eindringen in das Ich seiner Bürger durchstößt den inneren Kern dessen, was Reemtsma das »rechtsfähige Subjekt« nennt. In

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