Der globale Polizeistaat
zielt auf die Kommunikation der Bürger, die Äußerungen, deren sich der Belauschte bewusst entäußert, wenn auch nicht für Ohren der Spitzel. Doch sind die digitalen Zeichen auf der Festplatte überhaupt Äußerungen? Findet sich da nicht gerade das Ungeäußerte, das Zurückgehaltene, stille Erinnerungen, vergleichbar mit den Ideen, den geheimen Wünschen, den Gedanken? Sind die Gedanken noch frei, wenn sie vorsichtshalber vom BKA abgesaugt werden? Der Onlineangriff ist ein Angriff auf die Köpfe. Was geht im Kopf eines »Gefährders« vor? Die Polizei will es wissen.
Als die ersten Proteste gegen diese Geheimwaffe der Terrorabwehr laut wurden, sah der Sprecher des Innenministeriums Anlass zu beschwichtigen: »Ängste vor einem übermächtigen Überwachungsstaat«, schrieb er an den Autor, der zuvor kritische Artikel veröffentlicht hatte, würden »unnötigerweise geschürt«. Es gehe darum, das neue Instrument »in genau abgegrenzten Ausnahmefällen für bestimmte Personen und bei Vorliegen hoher Eingriffsschwellen zu gestatten«.
Das Versprechen machte neugierig. Zugegeben ist auch die härteste Hammer-Ermächtigung abgepuffert, wenn die Voraussetzungen ihrer Anwendung hinreichend strikt auf außergewöhnliche Notfälle beschränkt sind. Doch in der Schwierigkeit, solche Voraussetzungen rechtsstaatlich präzise zu formulieren, besteht ja gerade das Dilemma der Krieger gegen den Terror: Sie wollen über Instrumente verfügen, um »Gefährdern« auf die Spur zu kommen, bevor die wirklich eine konkrete Gefahr auslösen. Beispiel Onlinedurchsuchung: Was soll denn der Griff in die Festplatte eines »Gefährders« nutzen, wenn ziemlich klar ist, was er an Terroraktionen plant. Die Prävention besteht ja gerade darin, bei einem nicht hinreichend Verdächtigen nun Klarheit zu bekommen, die anders nicht zu erlangen ist. Es geht also darum,
strenge Voraussetzungen zu formulieren in Bezug auf einen Zeitpunkt, zu dem diese noch gar nicht vorliegen können.
Darum müssen wir uns die Mühe machen, den Entwurf der Ermächtigung für Onlineangriffe im neuen BKA-Gesetz ebenso genau zu betrachten wie die »Gefährder«-Vorschriften im vorangegangenen Kapitel. Denn hier geht es ums Eingemachte der Bürgerkommunikation. Auch hier darf der Leser sich mit dem Ergebnis begnügen, wenn er die Tour durch die Rechtslogik für zu anstrengend hält.
Die Vorschrift in Paragraf 20k des neuen BKA-Gesetzes lautet: Onlinedurchsuchungen sind schon dann zulässig, »wenn sich noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass ohne Durchführung der Maßnahme in näherer Zukunft ein Schaden eintritt, sofern bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall durch bestimmte Personen drohende Gefahr … hinweisen«.
Die Formulierung gibt einige Rätsel auf. Offenbar handelt es sich bei der Voraussetzung, dass »bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall durch bestimmte Personen drohende Gefahr hinweisen« um den Hinweis auf eine andere Situation als die, in der sich »mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass ohne Durchführung der Maßnahme in näherer Zukunft ein Schaden eintritt«. Wir dürfen wohl davon ausgehen, dass sich die zweitgenannte Situation als »konkrete Gefahr« umschreiben lässt. Dann bezeichnet Situation eins, also die Voraussetzung, die im BKA-Gesetz für den Einsatz von Trojanern als hinreichend genannt wird, eine Situation, die zwar nicht als konkrete Gefahr anzusehen ist, in der sich gleichwohl feststellen lässt, dass Tatsachen auf eine drohende Gefahr hinweisen. Vereinfacht gesagt: Wenn keine Gefahr vorliegt, reicht es, wenn eine Gefahr droht.
Nun wäre es interessant zu wissen, was der Unterschied zwischen einer Gefahr und einer drohenden Gefahr ist. Wir haben oben festgestellt, dass eine konkrete Gefahr von der Rechtsordnung angenommen wird, wenn sich zum Zeitpunkt (Z) aufgrund
aller als relevant erkannten Tatsachen (T) ein Schadensereignis (E) mit einem hinreichenden Wahrscheinlichkeitsgrad prognostisch erschließen lässt. Im »Sofern«-Satz des Paragrafen 20 k wird im ausdrücklichen Unterschied dazu an eine Situation angeknüpft, in der Tatsachen auf eine Gefahr »hinweisen«, was wohl korrekt nur so verstanden werden kann, dass sie den Schluss auf eine Aussage über das Auftreten einer Gefahr zulassen. Dieser Schluss kann, da es um eine Aussage über die Zukunft geht (die Gefahr »droht«), wenn er korrekt angestellt wird, ebenfalls nur eine Prognose sein. Sie lässt sich
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