Der globale Polizeistaat
nicht nachzuweisen, also erstritt er, Recht ist Recht, sogar eine Entschädigung für die Zeit, die er verfassungswidrig in Auslieferungshaft gesessen hatte.
Doch nun zeigte sich, was der »Raum der Sicherheit« mit einem Mann macht, dem er nichts nachweisen kann: Die Staatskasse, obgleich zur Zahlung verurteilt, weigert sich, das Geld an den deutschen Staatsbürger auszuzahlen. Sie darf es auch nicht. Denn »Darkazanli, Mamoun, Uhlenhorster Weg 34, 22085 Hamburg, Deutschland« steht auf der europäischen »Terrorliste«. Und ein Bürger, der auf dieser schwarzen Liste der EU steht, stirbt seinen Bürgertod. Der Bann aus Brüssel verbietet bei Strafe jedermann, jeder Bank, jedem mildtätigen Privatmann, der Staatskasse sowieso, auch nur einen Euro an den Verfemten zu zahlen. Der muss, wenn er nicht zufällig Bares unter der Matratze hat, verhungern. Ein »Servicezentrum Finanzsanktionen« der Deutschen Bundesbank hat sein Büro in München und
ist berufen, Ausnahmegenehmigungen von diesem Verbot in Höhe des Hartz-IV-Satzes zu erteilen.
Dem Opfer solch staatlicher Finanzexekution geht es wie Josef K. in Kafkas Prozess : Er wird weder vorher angehört noch ist irgendein Gericht vorgesehen, vor dem er sich verteidigen könnte. Alle Klagen bitte an das »Servicezentrum«. Im Dezember 2008 versuchte Darkazanli mithilfe eines Rechtsanwaltes noch immer, an etwas Geld zu kommen.
Die scharfe Waffe im Kampf gegen »Gefährder« trifft nicht nur so umstrittene Figuren wie den suspekten Deutschsyrer aus Hamburg. Ein arbeitsloser Berliner musste 2008 erleben, dass ihm das Arbeitslosengeld verweigert wurde, weil sein Name auf der Terrorliste stand. Nur mühsam konnte er beweisen, dass er nicht im entferntesten mit Osama Bin Laden zu tun hat, sondern dass der Name auf der Liste zu einer ganz anderen Person gehörte. Eben so ahnungslos verstrickten sich zwei Schwestern in das weitgespannte Netz des »Raumes der Sicherheit«: Die Frauen hatten im Dezember 2000 für rund 12 Millionen Mark eine Berliner Immobilie an drei Männer mit arabischen Namen verkauft. Das Geld zahlten die Geschäftspartner wie üblich auf ein Notaranderkonto, bei der Umschreibung des Eigentums im Grundbuch auf die neuen Besitzer gab es jedoch Verzögerungen. Die beiden Schwestern warteten derweil auf ihr Geld, das beim Notar lag. Doch 2005 lehnte das Grundbuchamt ab: Einer der Käufer, Herr Aqeel Abdulaziz Al-Aqil, fand sich mittlerweile auf der Terrorliste wieder - und damit war jedermann verboten, ihm Eigentum zu übertragen.
Die Schwestern, die endlich an ihr Geld wollten, versuchten, vor dem Europäischen Gerichtshof zu ihrem Recht zu kommen. Der lehnte im Oktober 2007 ab: Über die Rechtmäßigkeit der Terrorliste traute sich das Gericht kein Urteil zu.
Der in der Schweiz und in Italien lebende Tunesier Youssef Nada kam auf die Terrorliste, weil der amerikanische Geheimdienst CIA Informationen über angebliche Finanzverstrickungen des Geschäftsmannes mit Al Kaida streute. Nada ist heute ruiniert:
»Meine Konten sind gesperrt, ich kann nicht mehr arbeiten und nicht mal zum Arzt fahren.« Vier Jahre lang haben Schweizer Staatsanwälte versucht, irgendetwas über illegale Praktiken des Geschäftsmannes herauszubekommen - nichts. »Keiner kann sagen, dass ich in meinem Leben etwas Unrechtes getan habe«, sagt der Tunesier- und niemand kann die CIA zwingen, ihre Vorwürfe zu belegen oder auch nur glaubhaft zu machen. Der weltweite Datenaustausch der Kämpfer gegen den Terror läuft unkontrolliert: Kein Gericht kann Nada helfen.
Der Fall Nada war für den Europarat - ein Menschenrechtsbündnis aus 47 Staaten - Anlass, den Tessiner Exstaatsanwalt Dick Marty mit Recherchen über die schwarzen Listen gegen den Terror zu beauftragen. Marty berichtete vor dem Rechtsausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarates von »vollkommen willkürlichen« Entscheidungen der Listen-Beauftragten - mit weitreichenden Folgen. Die Aufnahme in die Liste, so Marty, sei »eine Art Todesurteil«. Und »heutzutage hat ein Serienkiller mehr Rechte als ein Mensch, der auf der Terrorliste steht«. Beim Bundesverfassungsgericht sehen sie das nicht viel anders. Ein Richter spricht intern von einem »finanziellen Guantanamo«. Es gibt im hohen Haus bereits Überlegungen, auf welcher Rechtsgrundlage man dem dunklen Treiben der Brüsseler ein Ende setzen könnte.
Tatsächlich hat sich die EU im Wahn, die Sicherheit Europas selbst in die Hand zu nehmen, in etwas verstrickt,
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