Der Glucksbringer
Freundin geworden war, und deutete auf die Brosche. »Ich glaube fast, das ist das schönste Geburtstagsgeschenk, das du je bekommen hast.«
In dieser Nacht machte Corinne vor Aufregung kein Auge zu. Kein Wunder. Liam war in Sydney! Vermutlich lag er jetzt irgendwo in seinem Bett und schlummerte tief und fest. Sobald Stanley den »irischen Juwelier« erwähnt hatte, war sie schlagartig hellhörig geworden.
Grundgütiger. Plötzlich quälte sie ein deprimierender Gedanke: Vielleicht war er inzwischen verheiratet oder in eine andere Frau verliebt. Sieben Jahre waren eine lange Zeit, und er hatte sich in Australien eine neue Existenz aufgebaut. Zweifellos hatte er wie die meisten Männer Sehnsüchte und Bedürfnisse. Auch wenn sie jetzt wieder frei und ungebunden war, war es womöglich schon zu spät für einen Neuanfang.
Völlig gerädert setzte sie sich im Bett auf, schüttelte die Kissen auf und starrte in die Dunkelheit. Großer Gott, durfte das Schicksal so grausam sein und ihr Liam vorenthalten, obwohl sie wieder zu haben war? Sollte sie es riskieren und die Probe aufs Exempel machen? Vielleicht war es besser für sie, wenn sie weiterhin Zuflucht in ihren Träumen suchte und sich damit eine mögliche Enttäuschung ersparte. Sie schüttelte heftig
den Kopf, dass ihre wilden Locken nur so flogen. Nein, sie konnte gar nicht anders, sie musste ihn wiedersehen. Ein einziges Mal wenigstens noch.
Am Montagmorgen fuhr sie gemeinsam mit Stanley in die Stadt. In der Straßenbahn versuchte Corinne angestrengt, ihre Angst und Anspannung zu überspielen. Ihr Schwager, inzwischen eingeweiht, wollte sie natürlich begleiten, doch sie versicherte ihm, dass sie diese Sache allein durchziehen müsse. Gottlob hatte er ihren Wunsch respektiert. Sie wusste nicht recht, was sie sagen sollte, wenn sie Liam gegenüberstand. Nach der Sonntagsmesse hatte sie bis in die Abendstunden im Garten gesessen und sich Szenarien ausgemalt, wie ihr Wiedersehen aussehen könnte. Sie hatte sich sogar einen Text zurechtgelegt. Liam wäre gewiss der Überraschtere von ihnen beiden, und das verschaffte ihr immerhin einen kleinen Vorteil. Damit bliebe ihr wenigstens ein bisschen Zeit, die faszinierende Fügung des Schicksals auszukosten, ihn nach all den Jahren endlich wiederzusehen.
Sie hoffte inständig, dass sie nicht zu aufgeregt war. Ihre behandschuhten Finger strichen über das geknöpfte Jäckchen, spürten das tröstliche Gewicht der Topasbrosche. Dass sie das Schmuckstück wiederhatte, grenzte an ein Wunder. Bitte, lieber Gott, mach, dass noch ein weiteres Wunder geschieht.
Liam saß mit seiner Mutter plaudernd in der Werkstatt, als sie den silberhellen Klingelton der Türglocke hörten. Ein Kunde betrat gerade das Geschäft.
»Bleib sitzen, ich geh schon, Ma. Trink in Ruhe deinen Tee aus.« Liam stand auf und rieb sich ein paar
Brotkrümel von seiner Weste. Er nahm ein Tablett mit eben fertig gewordenen Ringen und trug sie zum Ladentisch.
Corinne stand mit dem Rücken zur Theke und schaute sich aufmerksam um, derweil bemühte sie sich, ihr Herzrasen unter Kontrolle zu bringen. Himmel, sie hoffte inständig, dass sie das Richtige tat. Als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm, drehte sie sich um. Oh... oh, es versetzte ihr einen nicht gelinden Schock, wie sein Gesicht aussah. Aber trotz Nasenbeinbruch und vernarbter Wangen war es Liam, ihr geliebter Liam, und er starrte sie an, als hätte er einen Geist vor sich.
»Liam.«
Er schüttelte den Kopf, riss die Augen auf, blinzelte verwirrt und öffnete sie erneut. Sein Adamsapfel hüpfte nervös, und er schluckte schwer. Allmächtiger Vater im Himmel, sie war es wirklich, Corinne, und sie war noch schöner als in seiner Erinnerung. Wieder schüttelte er den Kopf, weiterhin unsicher, ob die Frau ihr vielleicht bloß sehr ähnlich sah, weil Corinnes Bild ständig in seiner Fantasie herumspukte und weil die Sehnsucht geradezu unerträglich war …
»Ja, Liam, ich bin es.« Sie lächelte verlegen.
Das Tablett mit den Ringen glitt ihm aus den Fingern und fiel klappernd zu Boden. »Corinne! Bist du es wirklich?« Einen Augenblick lang stand er wie versteinert, ehe er blitzschnell die Theke umrundete und kaum Zentimeter vor ihr stehen blieb. Er nahm ihre behandschuhten Hände in seine. Führte sie an seine Lippen, küsste den feinen Stoff. »Sag mir, dass ich nicht träume«, murmelte er mit drängender Stimme. Er schüttelte entgeistert den Kopf.
»Und wenn, dann träumen
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