Der goldene Buddha
Fehlschläge, und die Männer wurden zurückbeordert. Ho zog bereits in Erwägung, die Suche auszuweiten, und rechnete damit, dass sie länger als geplant dauern würde.
Dann erwachte sein Fax zum Leben und spuckte eine Fotografie aus.
Ho hielt sie immer noch in der Hand, als sein Telefon klingelte.
»Ja oder nein?«, fragte eine raue Stimme auf Chinesisch.
Ho betrachtete das Bild noch eine Sekunde länger und lächelte. »Seine Hände und seinen Kopf«, sagte er leise. »Pack sie in Eis, und schick sie mir per Expressfracht.«
Der Mann am anderen Ende der Leitung legte auf.
Paraguay im Allgemeinen und Asuncion im Besonderen muteten eher europäisch als südamerikanisch an. Die massigen Steingebäude und ausgedehnten Parks mit Springbrunnen erinnerten an Wien, nicht an Rio. Spenser warf den Tauben etwas Futter zu, das er aus einem nahen Automaten gezogen hatte, und wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn.
Ein Mann, der ein Verbrechen begangen hatte, würde niemals wirklich frei sein – auch wenn es so aussehen mochte, als sei er davongekommen.
Das beständige Wissen um die Tat ließ kaum nach und lastete schwer auf seiner Seele, und der Zwang, es geheim halten zu müssen, machte es nur noch schlimmer. Nur ein Soziopath empfand keine Reue – und gab in Gedanken anderen die Schuld, sofern er überhaupt noch Erinnerungen daran hatte.
Spenser warf den Vögeln die letzten Körner hin und beobachtete, wie sie sich um die Bissen stritten. Dann stand er auf. Es war später Nachmittag. Er beschloss, in sein unauffälliges kleines Hotel zurückzukehren und etwas zu schlafen, bevor er am späten Abend ein Restaurant aufsuchen würde. Morgen wollte er anfangen, sich nach einem Haus umzusehen und sein neues Leben in Angriff zu nehmen. Heute Abend wollte er bloß noch essen, schlafen und möglichst vergessen.
Der Kunsthändler war nicht dumm. Er wusste, dass Ho überall auf der Welt nach ihm suchen würde.
Im Augenblick jedoch versuchte Spenser, all diese Gedanken zu verdrängen. Er ging davon aus, dass ihm mindestens noch ein paar Tage blieben, bevor jemand womöglich auf die Fährte nach Paraguay stoßen würde. Das war genug Zeit, um von der Hauptstadt aufs Land zu ziehen. Dort würde er sich irgendwann einen Freundeskreis aufgebaut haben, und diese Leute konnten ihn warnen, falls jemand plötzlich herumschnüffelte. Und ihn verstecken, falls die Verfolger zu nahe kamen.
Gegenwärtig war er nur müde, nicht wachsam. Morgen konnte er sich Sorgen machen – heute Abend würde er sich ein leckeres argentinisches Steak und eine Flasche Rotwein gönnen. Er durchquerte den Park und bog in die Kopfsteinpflasterstraße ein, die den Hügel hinauf zum Hotel führte.
Der Bürgersteig war menschenleer; die meisten Leute hielten Siesta. Das war irgendwie tröstlich. Spenser schlenderte weiter und summte »I Left My Heart in San Francisco«. Auf halber Höhe des Blocks konnte er die Markise des Hotels erkennen.
Er summte immer noch vor sich hin, als eine Zaunpforte aufschwang und eine Garotte sich um seine Kehle legte. Die Melodie brach schlagartig ab.
Der chinesische Killer tötete Spenser binnen weniger Sekunden und zerrte ihn dann in den Garten hinter dem Haus.
Die Bewohner waren für einige Tage verreist. Dem Chinesen war das egal. Er hätte sie ansonsten ebenfalls ermordet.
Spensers Leiche wurde erst vier Tage später gefunden. Seine Hände und der Kopf fehlten, aber man hatte ihm die Arme sorgfältig vor der Brust verschränkt, und in seinem Gürtel steckte der kanadische Pass.
44
Truitt blickte aufs Wasser hinaus, während die Turboprop-Maschine sich im Landeanflug auf Tarawa befand, das Hauptatoll von Kiribati. Der Ozean leuchtete saphirblau, und unter der Oberfläche konnte man deutlich die Korallenriffe erkennen. Fischer gingen auf kleinen Kanus und Motorbooten ihrem Handwerk nach, und am Hafenkai war ein schwarzes, dampfbetriebenes Trampschiff vertäut.
Es sah aus wie in einem kitschigen Hollywood-Film.
Das Flugzeug hatte außer Truitt und einer Ladung Fracht nur einen einzigen Passagier an Bord, einen rundlichen Einheimischen, der unaufhörlich lächelte. In der Kabine roch es nach Salz, Sand und jenem Hauch von Moder, der in tropischen Gefilden alles zu durchdringen schien. Es war heiß und feucht, und Truitt tupfte sich mit einem Taschentuch die Stirn ab.
Der Pilot schwebte über der Landebahn ein und setzte die Maschine auf.
Ein kurzes Rumpeln, das Zupacken der Bremsen, die das Flugzeug auf ein
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