Der goldene Buddha
bleiben.
Es schien nahezu unmöglich, ein solch rares Artefakt mit einer Preisangabe zu versehen, und doch würde nun genau das geschehen. Nach vorsichtigen Schätzungen war mit einem Betrag zwischen hundert und hundertzwanzig Millionen Dollar zu rechnen.
»Wir werden die Versteigerung mit einem Einstiegsgebot von fünfzig Millionen US-Dollar beginnen«, sagte der Auktionator.
Ziemlich niedrig, dachte Spenser. Allein das Gold war doppelt so viel wert. Die Geschichte des Objekts, nicht seine Schönheit, machte es zu einem unschätzbaren Kunstwerk. Muss wohl am schwachen Weltwirtschaftsklima liegen, folgerte Spenser.
»Wir haben fünfzig Millionen«, sagte der Auktionator.
»Nun sechzig.«
Wenig später stieg Talbot mit achtzig Millionen ein.
»Achtzig, nun neunzig«, stellte der Auktionator in gleich bleibendem Tonfall fest.
Spenser schaute zu Talbot. Typisch Amerikaner. In einer Hand das Satellitentelefon, in der anderen den Stab mit seiner Bieternummer, als fürchte er, der Auktionator könne sein Signal übersehen.
»Neunzig, nun einhundert«, sagte der Auktionator.
Das Gebot stammte von einer südafrikanischen Händlerin, die Spenser kannte. Ihr Kunde hatte mit Diamanten ein Vermögen gemacht. Spenser mochte die Frau – sie hatten zusammen schon so manches Glas Sherry geleert –, aber er kannte auch die Gewohnheiten ihres Auftraggebers. Sobald das Gebot den Wert überstieg, den er sich für einen Weiterverkauf ausrechnete, gab er auf. Der Mann liebte Kunst, aber er zahlte nur den Preis, der ihm einen späteren Profit ermöglichte.
Hinten im Raum bot jemand hundertzehn Millionen. Spenser drehte sich um. Das Alter des Bieters ließ sich nur schwer schätzen, aber Spenser hätte auf Anfang sechzig getippt, vornehmlich wegen des wallenden grauen Haars und Vollbarts.
Zwei Dinge waren allerdings merkwürdig. Spenser kannte jeden der Anwesenden zumindest vom Sehen oder vom Namen her, aber dieser Mann war ihm fremd. Außerdem wirkte er völlig unbekümmert, obwohl sein Gebot dem Jahreshaushalt manches Kleinstaats entsprach. Die Qualifikation des Mannes stand außer Frage – dafür hatte das Auktionshaus mit Sicherheit Sorge getragen –, aber wer war er?
Hundertzwanzig von einem deutschen Pharma-Magnaten.
»Einhundertzwanzig, nun einhundertdreißig.«
Wieder Talbot. Er wedelte mit seinem Paddel wie ein Signalgast mit der Flagge.
Die Auktion verharrte eine Weile bei hundertvierzig Millionen, abermals geboten von dem Grauhaarigen. Mit einem Anflug von Besorgnis wandte Spenser sich erneut zu ihm um.
Der Mann sah ihm genau in die Augen. Dann zwinkerte er.
Spenser erschauderte.
Er blickte zur Seite, wo Talbot lebhaft in sein Telefon sprach.
Der Silicon-Valley-Milliardär geriet offenbar ins Wanken.
»Sagen Sie ihm, wir stehen bei hundertfünfzig«, flüsterte Spenser in sein Mikrofon. »Ein Bieter scheint noch im Rennen zu sein.«
»Er möchte wissen, ob Sie schon geboten haben.«
»Nein«, sagte Spenser. »Aber man weiß, dass ich hier bin.«
Er hatte bei diesem Auktionator schon zahlreiche Gegenstände erworben; der Mann behielt ihn stets im Blick. Ein Lächeln, Zucken oder Wink würde sofort als Gebot gewertet werden.
»Er sagt, Sie sollen zweihundert bieten, um die anderen zu schocken«, übermittelte der Assistent.
»Verstanden«, sagte Spenser.
Dann hob er fast in Zeitlupe zwei gespreizte Finger an die Lippen.
»Das Gebot beträgt zweihundert Millionen«, verkündete der Auktionator ungerührt.
Eine Erhöhung um fünfzig Millionen, obwohl nur zehn verlangt gewesen waren.
»Es sind zweihundert Millionen Dollar geboten«, wiederholte der Auktionator. »Bietet jemand zweihundertzehn?«
Im Raum war es totenstill. Spenser blickte über die Schulter.
Der Grauhaarige hatte sich in Luft aufgelöst.
»Zweihundert zum Ersten«, sagte der Auktionator. »Zum Zweiten, Achtung!« Er hielt inne. »Verkauft! Zweihundert Millionen plus Versteigerungsaufgeld. Was für ein prächtiges Stück.«
Die Anwesenden spendeten leisen Beifall.
Spenser blieb noch eine halbe Stunde und organisierte den Transport zum Flughafen. Um siebzehn Uhr saß er an Bord eines Flugzeugs nach Osten, um die Ware abzuliefern. Aus Sicherheitsgründen hatte er eine Maschine gechartert, die sich nicht zu seinem Auftraggeber, einem Milliardär aus Macau, zurückverfolgen ließ. Die Fluggesellschaft leistete einen umfassenden Service – sie würde ihn nicht nur nach Asien transportieren, sondern auch für ein gepanzertes Fahrzeug
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