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Der goldene Greif

Der goldene Greif

Titel: Der goldene Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Galen
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lauernden Schatten zu durchdringen, er sah nichts, was sich regte.
    Kaltes Schweigen lag wie ein Leichentuch über den bizarren Formen der Steine.
    Raigo zögerte, die Fackel zu löschen. Wie eine würgende Hand umfaßte eine sich steiger n de Angst seine Kehle, und er fürchtete sich davor, sich dieser gespenst i schen Umgebung in der Dunkelheit auszuliefern. Nur mit Mühe gelang es seinen fast gelähmten Gedanken, sich der Worte Huvrans zu erinnern. Er nahm seinen ganzen Willen zusammen und stieß die Fackel gegen den Boden, um sie zu erst i cken.
    Als der letzte Funke auf dem feuchten Boden erlosch, hatte Raigo das Gefühl, als sei mit dem Ersterben der Flamme jede Wärme aus ihm gewichen. Wie erstarrt saß er auf der Steinbank, wagte kaum zu atmen und lauschte angestrengt in die laste n de Lautlosigkeit der undurchdringlichen Schwärze, die ihn umgab.
    Plötzlich drang ein feines Wispern an seine Ohren, nach der unwirklichen Stille fast schmerzhaft laut. Zuerst konnte Raigo nichts verstehen, doch dann vernahm er auf einmal deutlich, was die Stimme sagte.
     
    „Da sitzt er, der Tor, und hofft auf ein glückliches Schicksal für sich, während in sein und seiner Freunde Land das Unheil seinen Einzug hält! Schon steht Konias’ Heer an den Gre n zen von Imaran, und die erste Schlacht ist bereits geschlagen. Überall lodern die Flammen des Krieges, und die Schreie der Sterbenden hallen über die sanften Auen von König Tamantes’ Reich. Und er sitzt hier, nur auf sein e i genes, kleines Ich bedacht, während auf der einen Seite seine Freunde, auf der a n deren Seite sein Volk ihr Blut für ihn geben!“
     
    „Ja“, antwortete eine zweite Stimme, und es klang wie unterdrücktes Gelächter, „sie sterben seinetwegen, für seinen eigennützigen Wunsch, das wiederzuerlangen, was er einst ve r schmähte. Wäre er nicht zurückgekehrt, würde weiterhin Frieden herrschen zwischen Im a ran und Ruwarad, so wie seit hundert Jahren.“
     
    „Und es gäbe ein junges Paar in Ruwaria!“ kicherte eine dritte Stimme, die über Ra i go aus dem Nichts zu kommen schien. „Doch jetzt liegt der Bräutigam unter den Steinen, und bald wird ihm seine verhinderte Braut folgen. Denn niemals wird sie nun die Frau des Thronfo l gers von Ruwarad, weder des einen, noch des anderen. Schon legt der Tod seine kalte Hand auf ihr Herz, und keinen Mond später wird man sie zu Grabe tragen. Dabei könnte dieser Narr hier sie retten, wenn er nicht immer nur an sich denken würde! Denn sie stirbt, weil ihr Herz brach, als er sie zum zweiten Mal verließ ohne Hoffnung, daß sie ihn je wiede r sieht.“
     
    Raigo stöhnte innerlich auf. Doch obwohl sein Herz fast zu zerspringen drohte, brachte er keinen Laut über die Lippen. Er war wie versteinert, hilflos gezwungen, den grauenhaften Stimmen zuzuhören. Diese schienen sich jedoch immer mehr über ihn zu erheitern.
     
    „Das ist aber noch nicht alles!“ lachte eine vierte Stimme. „Er weiß noch nicht, daß alles, was er auf sich nimmt, vergebens ist. Wie könnte das Orakel jemandem gut gesonnen sein, an dessen Händen das Blut eines Verwandten klebt? Sein Schicksal ist und bleibt die Verba n nung! Er wird die grünen Hügel von Ruwarad nie wieders e hen.“
     
    „Die Hügel von Ruwarad werden nicht mehr lange grün sein, sondern rot von Blut und g e schwärzt von Feuersbränden!“ spottete es aus einer anderen Ecke. „Die Ba r baren aus dem Norden haben Kunde erhalten vom Krieg zwischen Tamantes und Konias und werden die günstige Gelegenheit für einen Einfall nutzen. Selbst wenn er je nach Ruwarad zurückkäme, würde er nicht mehr viel vorfinden, was zu b e herrschen lohnte.“
     
    Raigos Schläfen hämmerten schmerzhaft. Vergessen war Huvrans Warnung vor der Lüge. Verzweiflung wühlte in seinem Hirn. Du bist schuld! Du bist schuld! pulste das Blut in seinen Adern. Du mußt sie aufhalten, mußt versuchen, das Unheil zu verhindern! Rette Coriane! schrie es in seinem Inneren.
    Er wollte fort, fort von diesen entsetzlichen Stimmen, von den Greueln, von denen sie ihm berichteten, doch die Macht der Unsichtbaren hielt ihn wie festgenagelt auf seinem Platz
     
    „Ihr vergeßt den Greifen!“ hörte Raigo. „Er ist ein mächtiges Wesen. Er wird ihm be i stehen, und vieles Böse kann er abwenden.“
     
    „Der Greif?“ höhnte eine andere Stimme. „Dieser Narr weiß ja nicht, daß ihm der Greif nur Freundschaft vortäuscht, um ihn für seine Zwecke zu benutzen. Phägor will etwas

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