Der goldene Kuß
Studio I und gingen nebenan ins Studio V, wo in einer Ecke die Kulissen zu einem Fernsehspiel aufgebaut wurden. Ein griechischer Tempel.
»Ich will Ihnen helfen«, sagte Helmke, bevor er hinter seine Kamera kletterte, die auf einem niedrigen, lautlosen Kamerawagen stand. »Kommen Sie mit allen Fragen zu mir.«
»Danke. Ich werde es mir merken.«
Sie nickte ihm zu. Von allen Seiten flammten die Scheinwerfer auf. Geblendet stand sie in dem gleißenden Licht.
»Kopf zur Seite!« hörte sie die Stimme Helmkes. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich die Objektscheibe drehte. Großaufnahme. Ich soll einen Höcker auf der Nase haben? Na warte …
Sie lächelte still, während sie den Kopf hin und her schwenkte, so wie Helmke kommandierte.
Am Abend brachte er sie zum Hotel. Er hatte sie vor dem Funkhaus abgepaßt. Theo Pelz, der sie zuerst begleiten wollte, war zu Intendant Dr. Rathberg gerufen worden. Die Forderungen Karin Jaruts wurden durchgesprochen.
Vor dem Hotel blieben sie plötzlich stehen, als habe eine Stimme »Halt!« gesagt. Sie sahen sich an, und der Glanz ihrer Augen verriet, was sie dachten.
»Es schlug in mich ein wie ein Blitz«, sagte Helmke leise.
Vera nickte, ihre Stimme war ganz klein. »Ich stand wie in einer fremden, warmen Sonne. Ich fror so, als du mich ansprachst …«
Sie küßten sich.
Es war ein Kuß, wertvoller und glücklicher als alle goldenen Küsse dieser Welt.
*
Jeder denkt, im Fernsehen zu spielen, das sei eine tolle Sache. Da stehen ein paar Kameras, man macht Holdrio, ein paar Grimassen, die Kameras surren, im Tonstudio mixt der Tontechniker schon alles richtig zusammen, und was dann herauskommt, ist eine Mattscheibenschnulze, die ins Herz geht. Etwas anderes ist es bei den aktuellen Berichten, bei den Nachrichten, bei den wissenschaftlichen Sendungen, beim Sport. Da wird hart geackert, da nutzt weder Schminke noch Tontechnik, da ist man immer live … so denkt der Laie.
Carlos Heimann hätte ihn schnell eines Besseren belehrt. Wer mit Heimann arbeitete, betrachtete sich als Schwerarbeiter. Die Serie ›Fremde Länder – fremde Killer‹ bewies es; hier wurde nichts verschenkt, hier war Härte Trumpf. Und Schauspieler Tommy Brest war der härteste aller Harten – später, auf der Mattscheibe.
Das Aufnahmeteam war schon früh am Morgen losgefahren zu den versteckten Buchten und romantischen Strandabschnitten zwischen Kap Greco und Paralimni – jener Gegend östlich von Larnaka, deren Schönheit man erst richtig entdeckte, nachdem die Türken das einst so beliebte Famagusta besetzt hatten und die Insel Zypern geteilt war.
Nun standen vier Kameras nahe Kap Greco mit herrlicher Aussicht auf das Meer. Die Luft war vom Sprühregen der Gischt durchsetzt, die Sonne hatte ihre volle Kraft noch nicht entfaltet. Durch Sprechfunk waren alle Kameraleute mit Carlos Heimann verbunden, der bei Kamera I stand.
»Du glaubst doch wohl nicht, daß ich von hier runter ins Meer springe!« sagte Tommy Brest und kratzte sich die männlich behaarte Brust. Ein Goldkreuzehen, an einem Goldkettchen befestigt, blitzte in der Sonne. »Und wenn es im Drehbuch auch hundertmal steht … ihr habt wohl 'ne Meise?!«
»Die Szene ist klar.« Carlos Heimann wiederholte ungerührt die kommende Aufnahme. »Dies hier ist der Anschluß an einen Szenenkomplex, den wir an den Kaledonia-Wasserfällen drehen mit den schäumend von Felsen herunterstürzenden Wassermassen. Du wirst von einem Killer verfolgt und siehst keinen anderen Ausweg mehr, als hinabzuspringen in den Abgrund, während dein Verfolger bereits auf dich schießt. Im Meer gerätst du in einen gefährlichen Strudel, der dich in die Tiefe zieht. Der Killer oben denkt, du bist hin und kehrt um – aber in Wirklichkeit hast du dich unter Wasser freigestrampelt und kommst jenseits der Klippe – dort, wo die Kamera II steht – an die Oberfläche, um an das Land zu schwimmen. Na, ist das was, Tommy?«
»Das ist Quatsch!« rief Tommy Brest erregt. »Das ist mieseste Klamotte. Wer hier runterspringt und auch noch in einen richtigen Strudel kommt, der schwimmt nicht mehr an Land.«
»Einem Tommy Brest glaubt man alles. Denk an James Bond! Der hatte den Hintern schon in der Hölle und kam ungebraten doch wieder zur Erde. Also los, drehen wir! Ich bleibe bei Kamera I und gebe das Signal.«
Tommy schaute zweifelnd in das schäumende, dampfende Wasser. »Mach keinen Ärger, Carlos … wo ist mein Double?«
»Wartet da hinten.«
»Es hat sich wirklich
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