Der goldene Kuß
sei doch vernünftig. Skandale waren früher Starmacher, jetzt sind es Startöter! Laß ein Jahr Pause sein … sieh dir die Welt an … aber schweig! Und dann hole ich dich wieder und mache mit dir einen ganz großen Rummel!«
»Ich will den ›Goldenen Kuß‹ haben.« Die Augen Karins waren klein und verschwanden fast völlig unter den langen, angeklebten Wimpern. »Ich habe mich ein Jahr lang darauf vorbereitet. Weißt du, was ich tue, Theo?«
»Keine Drohungen, Püppchen.«
»Ich komme während der Sendung auf die Bühne … jawohl, in der Halle, vor dreitausend Menschen klettere ich auf die Bühne, gehe auf diese Vera Hartung zu und öffne oder schließe ihr die Augen, je nachdem, wie sie reagiert.« Sie hob die Fäuste und schüttelte sie vor Pelz' Nase. »Es wird ein Auftritt der Jarut werden, von dem noch Generationen sprechen …«
In den gleichen Minuten, in denen dieses Gespräch oben in der Wohnung stattfand, hielt ein Taxi vor dem Haus und Amar Sorbania stieg aus. Mißtrauisch musterte er den Wagen, der vor der Haustür stand, blickte hinauf zu den hell erleuchteten Fenstern und ging dann ins Haus.
Mit dem Fahrstuhl fuhr er hinauf, schloß leise dessen Tür und ging auf Zehenspitzen zur Wohnung Karins. Dort legte er das Ohr an die Tür und lauschte. Das feine Gehör des in der Wüste Aufgewachsenen nahm auch die schwachen Geräusche auf, die gedämpft durch zwei Türen nur schwer zu entwirren waren.
Frauenlachen … hell, etwas schrill … eine Männerstimme …
Amar Sorbania zuckte hoch. Sein scharfes Gesicht wurde steinern. Er drückte auf den Klingelknopf und steckte gleichzeitig seine rechte Hand in die Manteltasche. Etwas Längliches, Rundes drückte sich durch den Stoff.
In der Wohnung hörte er aufgeregte Stimmen. Ein hartes Lächeln glitt über sein braunes Gesicht, die fast schwarzen Augen bekamen einen starren Blick.
Aufmachen, mein Täubchen, dachte er. Mach auf, du Wüstenrabe! Soll ich die Tür eintreten?! Du hast mir Liebe versprochen … weißt du nicht, wie man einen Lügner in der Wüste bestraft? Früher riß man ihm die Zunge aus dem Mund. Heute ist man zivilisierter.
Mach auf, du Krähe!
Er legte den Finger auf den Klingelknopf.
Von innen hörte er klappernde Schritte. Er trat etwas zurück und ließ die Klingel los. Die plötzliche Stille um ihn war bedrückend.
Wie in einem Grab, dachte er. Ja, wir sitzen jetzt in einem Grab, tief unter der Erde wie in den Grabkammern von Baalbek. Und über uns sind dicke Steinplatten. Wir können nicht mehr hinaus ins Leben.
Mach auf, Täubchen. Mach auf …
*
Die trippelnden Schritte hielten vor der Tür. Ein Schlüssel drehte sich im Schloß, ein Riegel knirschte leise. Dann öffnete sich die Tür um einen Spalt und das erstaunte Gesichtchen Karin Jaruts blickte Amar Sorbania an. Die großen Augen waren rund und puppenähnlich vor Entgeisterung.
»Du?« sagte sie gedehnt. Amar forschte in ihrem Gesicht. Keine Angst, keine Verzweiflung, nicht einmal Unruhe. Ein glattes, liebes, süßes Gesicht. »Komm rein! Ich denke, du bist zum Galaessen?«
Sie trat zurück, stieß die Tür auf und zupfte an ihrem Kleid. Sie trug jetzt ein einfaches, geblümtes Hemdblusenkleid, ein Sommerkleid, was aber Amar nicht auffiel. Es war das erstbeste Kleid, das Karin aus dem Schrank reißen konnte, als es an der Tür Sturm klingelte. Die blonden Haare hatte sie nach hinten gekämmt und hielt sie mit einem rotseidenen Stirnband zusammen. Sie sah verführerisch und irgendwie kindlich aus; eine Puppe, die plötzlich lebendig geworden ist und mit großen, verwunderten Augen ins Leben guckt.
Amar wurde unsicher. Schönheit machte ihn von jeher schwach. Aber dann dachte er daran, daß sie nicht allein in der Wohnung war und daß er eine Männerstimme gehört hatte. Er holte tief Atem und nahm die Hand aus der Manteltasche.
»Wer ist bei dir?« sagte er hart. Er faßte Karin an der Schulter, schob sie aus dem Weg und stürmte ins Wohnzimmer. Dort bot sich ihm ein seltsamer Anblick.
Ein Mann lag hinter dem Fernsehgerät, hatte Drähte, Transistoren und Röhren um sich liegen und schraubte in aller Ruhe im Inneren des Apparates herum. Er nickte Amar freundlich zu, steckte den Stecker in die Leitung, ließ ein paar Funken aus dem Gerät sprühen, riß den Stecker wieder heraus und kratzte sich den Kopf. »Da ist irgendwo ein Kurzschluß drin, gnädige Frau!« sagte der Mann. »Aber keine Sorge, den finden wir schon. Soll ich den Apparat morgen abholen? Wenn
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