Der goldene Kuß
ich störe …« Er grinste dumm.
Amar Sorbania war bereit, Karin um Verzeihung zu bitten. Aber so schnell gab er nicht zu, sich geirrt zu haben und ein dummer, eifersüchtiger Esel zu sein.
»Wer ist das?« fragte er in seinem harten Deutsch.
Theo Pelz sprang vom Boden auf und machte eine kleine Verbeugung. An seinen Händen klebte Fett und Schmutz. »Fritz Hermann«, stellte er sich vor. »Von der Firma ›Schnelldienst‹. Ich wurde gerufen, weil der Fernseher plötzlich dunkel wurde und keinen Piep mehr sagte.«
»Was?« sagte Amar hilflos.
»Keinen Piep! Ich meine, keinen Ton mehr. Da ist was durchgebrannt. Ich kann das auswechseln, aber das dauert bestimmt eine Stunde. Wenn ich störe …«
»Nein, bleiben Sie.« Karin Jarut sah ihn von oben herab an. »Sie stören nicht. Mir kommt es darauf an, daß ich nachher die Mitternachtssendung sehe. Machen Sie nur weiter, Meister!«
»Danke.« Theo Pelz ließ sich wieder auf den Boden gleiten und ging hinter dem Fernsehapparat in Deckung. Amar Sorbania zögerte noch, er wollte noch etwas sagen, fragen, erklärt haben, aber dann gab er sich zufrieden mit dem Anblick der Drähte und Röhren und des Mannes, der eifrig herumschraubte und immer neue Teile ausbaute.
»Verzeih mir, Taube«, sagte er leise zu Karin und verließ das Zimmer. In der Diele umarmte er sie und gab ihr einen Kuß. »Ich war rasend vor Eifersucht. Du weißt – ich bringe jeden um, jeden!« Er wandte den Kopf wieder zum Zimmer. Dort ertönte leises Hämmern. Karin Jarut schüttelte den Kopf. Sie tat etwas beleidigt.
»Mich so zu verdächtigen …« sagte sie schmollend. »Ich sitze brav vor meinem Fernsehgerät und du … du …« Sie begann plötzlich zu weinen und warf beide Hände vor das Puppengesicht. Die große Schau begann. Tränen der Jarut ließen selbst Tiger zu zahmen Katzen werden.
Amar Sorbania machte sich wieder die größten Vorwürfe. Er streichelte Karin, er zog sie an sich, er versprach, ihr morgen früh einen wertvollen Ring zu kaufen, ein Armband mit Brillanten, ein Collier aus Rubinen, er bat um Verzeihung, er bettelte um einen lieben Blick … Karin Jarut schluchzte und stammelte, wand sich in seelischen Krämpfen und war nicht zu trösten. Erst, als Amar feierlich gelobte, nie mehr Mißtrauen zu haben und zurück zu seinem Galaessen zu fahren und ihr morgen das Rubincollier zu kaufen, beruhigte sich Karin etwas, hauchte ihm mit wehmütiger Miene und verschleierten Augen einen Kuß auf den Mund und schob ihn aus der Wohnung. Dann schloß und riegelte sie die Tür zu und lauschte, ob der Fahrstuhl wieder nach unten fuhr. Erst als sie das helle Brummen hörte, lief sie zurück ins Wohnzimmer.
Theo Pelz saß vor dem ausgeschlachteten Fernseher und rauchte mit öligen Fingern eine Zigarette.
»Das war eine Meisterleistung«, sagte er anerkennend. »Das kann man große Klasse nennen! So nahe habe ich noch nie einer Kugel im Leib gegenübergestanden.«
Karin rutschte neben ihm auf den Teppich, küßte ihn und sah auf die Trümmer ihres Fernsehapparates. »Auch du warst fabelhaft als Fritz Hermann vom ›Schnelldienst‹. Mein Gott, mir schlottern noch die Knie, wenn ich daran denke, was hätte passieren können, wenn uns diese Idee nicht gekommen wäre! Hast du nun gesehen, wie er ist?! Dagegen ist Othello ein Limonadenverkäufer. Was glaubst du, was passiert, wenn ich ihm sage, wie ihr mit mir umgesprungen seid? Er sprengt das ganze Funkhaus in die Luft!«
»Fang nicht schon wieder davon an, Süße.« Theo Pelz stocherte mit dem Schraubenzieher in dem Gewühl von Drähten und Transistoren herum. »Einst ist mir klar: Diesen Wüstenreiter wirst du nie heiraten!«
»Um euch zu ärgern … morgen noch.« Sie stieß Pelz in die Seite und nickte zu dem ausgeschlachteten Fernsehapparat hin. »Kriegst du den denn wieder hin?«
»Nie und nimmer! Ich habe alles herausgerissen, was ich fassen konnte. Für mich ist das ein technisches Chinesisch.« Theo Pelz stand auf und zerdrückte seine Zigarette in einem Aschenbecher. »Bekommst morgen einen neuen, Süße. Den hier solltest du dir auf eine Säule steilen wie ein Denkmal: Er hat uns das Leben gerettet.«
»Was bietet mir Dr. Rathberg?« fragte Karin. Sie blieb auf dem Teppich zwischen dem Gewirr von Drähten sitzen. »Ich will die Rolle im ›Goldenen Kuß‹.«
»Liebling, du solltest doch deinen Öl-Othello heiraten.«
»Und wenn ich den Alten bloßstelle?«
»Der läßt sich nicht bloßstellen. Aber von dir wird man
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