Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der goldene Ring

Der goldene Ring

Titel: Der goldene Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
Vom Netzwerk:
Basil, unter dessen Frakturen nur eine kompliziert, aber noch nicht brandig war, blieb es Überlassen, ihre einzige Tagesmahlzeit von der Türklappe zu holen, den vollen Eimer gegen einen leeren auszutauschen und sich um seine sterbenden Freunde zu kümmern, so gut es in völliger Finsternis ging.
    Wenn diese traurigen Arbeiten getan waren, kehrte er zu dem geduldigen Kratzen an dem Briefschlitz zurück.
    Manchmal döste er, wenn der Schmerz es erlaubte, und träumte. Er war wieder Student und schipperte auf der Isis, palaverte mit Kommilitonen Über esoterischen Blödsinn und bestieg sogar Berge (aber der Gipfel blieb immer außer Reichweite - ach, der Everest des Pliozän!).
    Die bizarre Frau hätte ebensogut ein Traum sein können.
    Sie war in metallisches Rot und Schwarz gekleidet, dicht bei dicht mit Flammenzungen und Perlen besetzt, und trug den schmetterlingsförmigen gepolsterten Kopfputz aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts. Sie war kein menschliches Wesen, auch keine Tanu, und sie schien zwei Gesichter zu haben - ein sympathisches und ein groteskes. Er versuchte, sie taktvoll wegen des Eimers zu warnen, als sie schimmernd durch die Steinwand schritt, aber wie so viele Erscheinungen lächelte sie nur und blickte rätselhaft.
    »Dann sag mir, wie ich dir zu Diensten sein kann«, sagte Basil und stützte sich in der Finsternis auf einem Ellbogen hoch.
    »So merkwürdig es klingt - ich brauche tatsächlich deine Hilfe«, antwortete die Frau. »Deine und die deiner Freunde.«
    »Oh, das wird schwer halten«, meinte Basil. »Siehst du, sie liegen mehr oder weniger im Sterben. Und ich glaube, mein linkes Bein löst sich allmählich ab. Es ist ziemlich scheußlich da, wo die Wadenbein-Enden aus dem Fleisch hervorragen.«
    Die Frau glühte. Sie hatte eine Art von Futterbeutel dabei, juwelenbesetzt wie alles übrige an ihr, und sie entnahm ihm eine beträchtliche Menge sehr dünnen transparenten Stoffs, ähnlich einer Plastikfolie. Ohne Umstände kniete sie inmitten des Schmutzes und der stinkenden Pfützen und der verschmierten Exkremente auf dem Boden nieder und wickelte die bewußtlose Amerie in das Zeug ein. Als sie die Nonne wie einen Rollbraten verpackt hatte, machte sie sich an Häuptling Burke.
    »Sie sind noch nicht ganz tot, weißt du«, protestierte Basil. »Sie werden ersticken.«
    »Die Haut bringt nicht den Tod, sondern das Leben«, erklärte die bizarre Frau. »Ihr werdet lebendig gebraucht. Schlaf jetzt und hab keine Angst! Eure grauen Ringe werden verschwunden sein, wenn ihr aufwacht.«
    Und bevor er zu weiterem Widerspruch den Mund auftun konnte, hatte sie auch ihn in die Membrane gehüllt, und dann verblaßte der Traum von ihr zusammen mit Peo und Amerie und dem Verlies und allem übrigen.
    Bis zu dem Augenblick, wo Felice die Sprengung am Fjord vornahm, hatte Stein seine ganze Zeit im Pliozän wie ein schlechtes Kultur-Drama erlebt.
    Es war wilder und furchterregender und lebendiger gewesen als die immersionsspiele, aus denen er in seiner Jugend im Milieu hinausgeworfen worden war, aber im Grunde war das Leben im Exil genauso unwirklich. Das Blutvergießen in der Torburg, die Fiebertraum-Sequenz, die ihren Höhepunkt in der Tiefenredigierung durch Elizabeth und Sukey fand, das Versteigerungsbankett und der Kampf mit dem Tier in der Arena und das Abstechen des tanzenden Raubtiers und der Delbaeth-Feldzug - unwirklich! Jetzt konnte seine Mitwirkung bei der Show jeden Tag, ja, jede Minute zu Ende sein, und er würde sich in seinem Wikinger-Kostüm umdrehen und zum Ausgang gehen und in die wirkliche Welt des 22. Jahrhunderts zurückkehren.
    Noch in diesem Moment, als sein sich erholender Verstand Verdacht schöpfte, weigerte sich irgendein kritisches Segment seines Kortex, in der Ballonfahrt etwas anderes zu sehen als eine Ausweitung des Traums. Da unten lag ein hübscher Fjord-Eingang aus farbigen Lava-Klippen. Ein großer Schlackenkegel rechts davon. Unecht wirkende immergrüne Bäume wie zu große Bonsais klammerten sich an die Höhen. Kleine bewaldete Inseln mit blühenden Büschen und Mangroven-Dickichten tupften hier und da das spiegelglatte Wasser. Eine große Schar rosafarbener Flamingos fischte drüben im seichten Gewässer nach dem Lunch.
    Unwirklich! Er konnte die Plakate sehen:
    GENIESSEN SIE IHR ALTES MÄRCHENERBE im PHANTASTISCHEN PLIOZÄN-LAND!
    Doch ganz plötzlich, während er noch in seinem Traum dahinschwebte, beugte sich Felice aus der Gondel und wies mit dem Finger.
    Der

Weitere Kostenlose Bücher