Der goldene Schwarm - Roman
mitteilen? Um ihn wissen zu lassen, dass sie in Sachen Alter zueinanderpassen würden?
»Haben Sie das Leder gerochen?«, fragt Polly. »Manchmal stecke ich einfach nur meine Nase hier herein und atme. Mm-mm. Wunderbar!« Ihre Augen sind sehr hell. Sie liebt die Sinne, liebt die Welt. Er findet das bewundernswert und ein wenig einschüchternd. Ich bin ein Maulwurf. Ich verstecke mich in der Gesellschaft einer Frau, die das Sonnenlicht und den Regen anbetet.
Als sie sieht, dass seine Gurte umgelegt sind, tritt Polly das Gaspedal durch.
Der Wagen schießt davon, als hätte man ihm eins aufs Hinterteil verpasst, und Joes Kopf wird leicht zurückgeschleudert. Es gibt sogar eine Kopfstütze, die nachträglich hinzugefügt worden sein muss, wenn auch nicht lange nach dem Baujahr, denn sie scheint aus Ton zu bestehen. Polly schnauft ein wenig, sieht dann schuldbewusst aus und betätigt die Gangschaltung, was bei Joe beinahe noch einmal denselben Effekt verursacht. Für einen Wagen seines Alters geht Pollys Volvo ziemlich ab.
Auf das Haus trifft eigentlich dasselbe zu. Es ist elegant und etwas baufällig und, eingeklemmt in einer Sackgasse, überraschend groß. Ein Bahndamm erhebt sich direkt dahinter.
»Die Züge sind etwas laut«, räumt sie ein, »aber dadurch ist es bezahlbar. Und ich bin daran gewöhnt.«
»Sie schlafen einfach durch?«
Sie lächelt wieder, und diesmal beginnt das Lächeln direkt in der Mitte ihres Mundes, dehnt sich wie Ringe auf dem Wasser bis zu den Mundwinkeln und schließlich über ihr ganzes Gesicht aus, bis sie Grübchen auf beiden Wangen hat und ein unverkennbar anzügliches Funkeln in ihren Augen. »So ähnlich, ja. Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, erzähle ich es Ihnen später.«
Später? Das klingt nach: Wenn es dunkel ist und heimelig und wir uns besser kennen.
Sie öffnet die Tür und winkt ihn herein.
Das Badezimmer ist bitterkalt und sehr blau. Angeschlagene hellblaue Fliesen bedecken die Wände, und vom blauen Fensterrahmen rieseln die Farbflocken. Der Boden besteht aus silbrigen, durch Jahre voller nasser Füße und kleiner Pfützen verzogener Dielen. Irgendwann waren sie wohl einmal mit Teppich belegt und sind nun wieder nackt. Joshua Joseph liegt in der alten blauen Keramikwanne und lässt sich vom Summen der einzelnen Glühbirne und vom Dampf, der von seinen aus dem Wasser ragenden Gliedmaßen aufsteigt, in eine Trance versetzen.
Er döst, und ausnahmsweise buhlen weder Geister noch irgendwelche bedeutsamen Erinnerungen um seine Aufmerksamkeit. Ein Tropfen sehr heißen Wassers verbrüht seine Fußspitze, und er zuckt kaum mit der Wimper. Der Schaum auf dem Wasser löst sich langsam in ein silbernes Marmormuster auf, sodass er die tektonischen Verschiebungen rund um seinen Meniskus beobachten kann. Direkt unter der Oberfläche bewegt er seine Hand und stellt sich vor, wie winzige Beuteltiere plötzlich auf ihrer Scholle abgetrennt werden, sich zu weisen Kängurus entwickeln und – als sich ihre wild rotierende Insel wieder dem Festland anschließt – sich unversehens im Krieg mit wütenden Eidechsen befinden, die vom großen Knie-Berg stammen.
Joe seufzt. Warum Krieg? Warum kommen sie nicht zu einer großen Feier der verlorenen Verwandtschaft zusammen, zwei empfindungsfähige Spezies, die sich die Welt der Seife teilen?
»Schuld daran bist nur du«, sagt er zu Mathew Spork, dessen Gesicht er kurz im Dampf auftauchen sieht.
»Sehr klug«, erwidert Polly von der Tür aus. Er zuckt ein wenig zusammen, schafft es aber, das Wasser zum größten Teil in der Wanne zu belassen. Sie lächelt ermutigend und fährt dann fort. »Wie fühlen Sie sich?«
»Gut. Eigentlich großartig. Ich hab nur … gerade mit meinem Vater gesprochen. Ich mache das manchmal: in meinem Kopf mit toten Leuten sprechen.« Na fantastisch. Ich habe übrigens auch eine Sammlung abgeschnittener Ohren zu Hause und esse Hundewelpen. Oh, ganz nebenbei, würden Sie gerne mal mit mir ausgehen? Zum Dinner?
Aber Polly nickt.
»Ja. Ich auch. Finden Sie die Toten hilfreich?«
»Manchmal.«
»Und manchmal regen sie einen genauso auf wie zu der Zeit, als sie noch am Leben waren.«
»Gott, ja.« Er grinst. Er ist äußerst nackt, aber nicht einmal das beunruhigt ihn. Der Schaum wird als Feigenblatt genügen, und er hat eine vollkommen akzeptable Figur. Sie ist erwachsen. Wenn sie glücklich ist, ist er es auch.
»Gutes Bad?«
»Wundervoll.« Er plätschert wieder mit seiner Hand. Die Vereinten
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