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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Mönch an Malaria gestorben war, sei dann in den Sechzigern nach Rom gegangen, um bei den Jesuiten zu studieren. Schon bevor er hier ankam, war er längst ein Mythos.
    Die Welt ändere sich zu schnell, sagte Sheamus, und auf die falsche Art, also sei er gekommen, um Widerstand zu leisten. In der großen Halle, im Herzen von Sharrow House, unter den steinernen, von Hand geschlagenen Bögen, unter den bemalten Decken, wo jede Säule, jede Nische ein Zeugnis von Individualität und Einzigartigkeit abgab, stellte Bruder Sheamus mit Worten seine Falle auf.
    Er war wie ein Filmstar, Joe. Er sagte ihnen, dass er sie liebte, als sie von allen anderen zu hören bekamen, dass sie hoffnungslos überflüssig seien. Er hat sie vollkommen umgehauen. Und die ganze Zeit war er von Leuten umgeben, von Fotografen und Journalisten, die alles aufschrieben. Sogar eine Kamera gab es. Du musst daran denken, wie selten so etwas damals war, Joe. Wir hatten nur drei Fernsehsender bis ’82. Aber sie beobachteten alles, was er tat, und so wussten wir, dass er bedeutsam war. Nichts ist so beeindruckend wie jemand, mit dem jeder zusammen sein will, und der dir sagt, er wolle nur mit dir zusammen sein.«
    »Ich saß ganz hinten«, knurrt Cecily Foalbury, »und ich habe ihn gehasst. Ich hasste ihn von ganzem Herzen, weil ich wusste, dass er ein Lügner war und ihnen alles nehmen würde. Er stand auf der Kanzel und schaute auf sie herab und zerstörte sie, und sie dachten, er würde alles besser machen.
    ›Handwerkskunst‹, sagte er, ›ist ein Mittel zum Zweck für uns. Nicht wahr? Sind wir zu Handwerkern geworden, weil wir unsere Kunst lieben, oder weil wir Gott lieben?‹ Und, Joe, du musst verstehen, noch niemals zuvor hatte sie jemand mit solch einer Predigt angesprochen. Es waren keine Charismatiker, sie spürten auch nicht den heiligen Geist in sich, und sie forderten sich auch nicht gegenseitig dazu auf, Zeugnis abzulegen. Es waren Ruskiniten. Es waren Werker, und zwar sehr sensible.
    Nun, das machte sie zu leichten Opfern. Neben mir sah ich einen alten Mann, der kurz die Luft anhielt, als würde man ihn schwer beleidigen, und dann setzte er so ein komisches Lächeln auf, als hätte er schon immer so lächeln wollen und man hätte es ihm plötzlich erlaubt.
    ›Wir lieben Gott‹, sagte jemand, und dann nickten sie alle, und ich hörte, wie viele von ihnen das Wort Gott wiederholten.
    ›Wir suchen Offenbarung‹, sagte Bruder Sheamus. ›Ist es nicht so?‹
    ›Ja‹, sagten sie.
    ›Nun, Gott hat uns verlassen. Vielleicht ist es eine Prüfung. Vielleicht ist es ihm gleich. Wer kann das sagen? Er ist Gott. Er ist unfehlbar. Er hat in unserer gemeinsamen Geschichte vieles getan, aber niemals hat er sich erklärt. Aber es gibt eine kühnere Offenbarung in dieser Welt als Kunst und Handwerk. Es gibt eine Maschine, die Gott offenbaren könnte. Ein automatisches Gebetsrad, das uns die Wahrheit zeigen wird. Aber es könnte … es wird noch mehr vollbringen.‹
    ›Was denn?‹, fragten sie.
    ›Wenn Gott uns verlassen hat – wenn unser Schöpfer uns auf unsere eigenen Gerätschaften verwiesen hat –, dann wird diese Maschine seinen Blick auf uns ziehen. Sie ist wie ein Rätsel für das Auge Gottes, wie ein Wasserstrudel. Mit ihr werden wir das Schweigen Gottes beenden. Wir werden ihn sehen. Und er wird uns sehen. Wir werden seine Prüfung bestehen, und wir werden erwachsen werden. Wir werden einfordern – wie Moses es getan hat –, wir werden einfordern , dass er zu uns spricht.‹
    Nun, das war Blasphemie, klipp und klar, aber bei ihm klang es nicht so. Es klang wie etwas vollkommen Vernünftiges. Sie saßen alle einen Moment lang da, als hätte er ihnen einen Bückling um die Ohren gehauen, und dann brüllte jemand: ›Sheamus!‹ Und dann standen sie alle auf und schrien, und der arme Sholt, der kleine Kerl, der eigentlich der Hüter sein sollte, wurde vom Podium gedrängt, während sie Sheamus in die Luft hoben.
    Er hat nicht gezögert, Joe. Er hat sich sofort hineingekniet. Noch in derselben Nacht hat er ihnen gesagt, sie sollten als Zeichen von Gottes Missachtung ihre Gesichter verdecken, und das taten sie, und irgendwie standen auch schon die Gewänder aus dieser entsetzlichen Gaze bereit, und wer sie nicht tragen wollte, wurde rausgeschmissen. Sie versuchten, auch all die anderen Gebäude in ihren Besitz zu bringen, aber jemand verhinderte das. Ich habe immer angenommen, dass es die Regierung war.
    Und kurze Zeit später wurde aus

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