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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Es gab gestern Unruhen in Moskau und Nanking. Und in Caracas. Die Körbe sind überall, Joe.«
    »Ich weiß. Es tut mir leid.«
    »Sei nicht albern«, sagt sie barsch. »Du bist in eine Falle gelockt worden.« Sie schaut ihn finster an, rückt dann näher. »Das ist dir doch klar, oder? Lieber Himmel, Junge, natürlich bist du das. Erzählen Sie mir bloß nicht«, sagt sie zu Polly, »dass er die ganze Zeit Trübsal bläst, weil er glaubt, das sei alles sein Werk?« Und als Polly nickt: »Bah! Das weißt du besser. Wenn du dich mit einem Meißel verletzt, ist das dann die Schuld des Meißels? Nein. Gib nicht dem Werkzeug die Schuld!«
    So hat er noch gar nicht darüber nachgedacht. Dankbar lächelt er sie an. Sie wirft ihm noch einmal einen besonders ungehaltenen Blick zu, fährt dann fort.
    »Na gut: Die Ruskiniten also … Da gibt es viel zu erzählen und einiges, was ihr wissen müsst. Ich werde es Foalbury abtippen lassen. Aber ich glaube, im Augenblick benötigt ihr die Kurzfassung.«
    »Mit Anmerkungen, wenn nötig«, sagt Polly, und Cecily wirft ihr einen zustimmenden Blick zu und erwidert, dass sie es zusammenfassen wird, dass aber hier und da der Kontext auch nicht schaden kann.
    Harticles, beginnt Cecily Foalbury, ist wie eine alte viktorianische Gaslaterne in einer dunklen Straße: ein flackerndes Licht auf einem gusseisernen Pfahl, umgeben von grünlichem Smog. Nahe am Zentrum ist alles klar. Die Geschichte der Armbanduhr, Aufstieg und Fall des Uhrwerkspielzeugs, der anhaltende Charme des Grammophons – alles wohlbekannte und einfache Geschichten. Weiter entfernt vom Licht werden die Dinge bizarrer, wie die Uhrwerkskutsche des verrückten Ludwig mit ihren eisernen Pferden, die von einem Fliehgewicht gezogen wurde und vermutlich nie existierte, außer im Kopf eines österreichischen Hochstaplers.
    Und dann gibt es schließlich noch die Geschichten, die keinen Sinn ergeben und nicht stimmen können: Gerüchte über Halbwahrheiten und aufgeschnapptes Geflüster. Der Fall des Ordens von John, dem Werker – auch bekannt als die Ruskiniten – gehört in diese Kategorie.
    Die Ruskiniten waren eine Gemeinschaft von Handwerkern, die an die Fähigkeit der Kunst glaubten, die menschliche Seele zu erheben, sie aufzuklären und auf eine höhere Stufe zu bringen. Sie waren so gut, dass die britische Regierung, als ihr im Zweiten Weltkrieg die Ressourcen knapp wurden und sie dringend Hilfe brauchte, alle Ruskiniten, die in England zur Verfügung standen, einzog und sie mit einem Genie zusammenbrachte, um Kriegsmaschinen zu erschaffen.
    Das Genie war eine Frau, die als Flüchtling nach England gekommen war. Wie es heißt, soll sie sehr temperamentvoll gewesen sein und einem den letzten Nerv geraubt haben, wie das oft bei solchen Leuten der Fall ist.
    Wie zu erwarten bei einer derartig speziellen Kollaboration, waren die gemeinsamen Arbeitsergebnisse ungewöhnlich, ja exzentrisch. Aber durchaus effektiv. Sie bauten Maschinen und Fahrzeuge und lüfteten wissenschaftliche Geheimnisse, und wenn es darum ging, unlösbare Rätsel zu lösen und den Feind zu täuschen, stellten sie alle in den Schatten. Sie waren so erfolgreich, dass sie noch lange nach dem Krieg weiterarbeiteten, die britische Verteidigung gegen die Sowjets stärkten und den Amerikanern, die sich damals weigerten (Cecily schnauft), mit ihrem ehemaligen Alliierten Nuklearinformationen zu teilen, schlicht die kalte Schulter zeigten.
    Und dann, irgendwann gegen Ende der Sechziger oder Anfang der Siebziger, kam es zu einer Tragödie. Irgendetwas ging bei dem bedeutendsten Projekt ihrer Zusammenarbeit schief, und ein Küstendorf wurde dem Erdboden gleichgemacht. Es ging das Gerücht um, das Experiment selbst sei gar nicht schuld gewesen an der Zerstörung; dass sie erst anschließend vorgenommen worden war, um die Folgen zu vertuschen. Das Genie, das dahintersteckte, floh oder starb – wer weiß? Es war vorbei, und die Ruskiniten wurden entlassen, mussten sich nach dreißig Jahren im warmen Nest der Regierung allein durchschlagen. Das hat sie vom Weg abgebracht.
    »Korn und Kummer«, murmelt Joe.
    »Ganz genau, Darling«, erwidert Cecily. »Ganz genau.« Sie räuspert sich – unvergossene Tränen oder eine Erkältung, da ist er sich nicht sicher. Dann schaut sie mit kummervollen Augen zu ihm auf. »Du möchtest wissen, was dann passiert ist, nicht wahr? Und es gibt niemanden, der besser geeignet wäre, es dir zu erzählen, denn ich war dort in der Nacht, als

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