Der goldene Schwarm - Roman
Generation kam Edie ausgesprochen effizient vor.
Frankie kam und ging, und Edie wusste nie, wohin. Am Ende tat sie das, wovon sie sich stets geschworen hatte, es nicht zu tun: Sie spionierte ihr nach. Sie sah, wie Frankie ein Taxi zum Laden eines Uhrmachers in der Quoyle Street nahm, sah, wie sie von dem kleinen Handwerker mit seinem traurig aussehenden Vogelgesicht keusch begrüßt wurde. In ihrer dümmlichen, offensichtlichen Verkleidung saß Edie auf einer Bank, furchtbar wütend darüber, dass sie recht behalten hatte, und noch wütender darüber, dass Frankie sich so liebevoll, so zutraulich, so wahrhaftig verhielt. Das war keine Affäre. Es war ein anderes Leben. Es gab keinen Sex. Das hier war so viel schlimmer.
Einen Augenblick später tauchte ein Junge auf – nein, ein junger Mann, gut gekleidet und übersprudelnd vor ungestümer Energie. Als er an die Tür klopfte, wandte er sich leicht in ihre Richtung, und Edie hätte angesichts der unvermittelten Ähnlichkeit fast aufgeschrien. Der Handwerker holte ihn herein.
Frankies Sohn.
Edie stürmte nach Hause, packte ihr Leben in zwei kleine Taschen und verschwand. Frankie heulte und klagte. Edie schrie sie an. Schlimme Dinge wurden gesagt. Unfreundliche Dinge; umso unfreundlicher, da sie alle der Wahrheit entsprachen.
Edie flüchtete in die Arbeit, da man in der Arbeit lügen, sich anschleichen und Leuten mit der Faust ins Gesicht schlagen konnte und es auch noch als verdienstvoll angesehen wurde. Sie forderte ihren alten Job zurück und erhielt ihn. Da sie in der entsprechenden Stimmung war, schickte Abel Jasmine sie in den Iran. Teheran war ein Schmelzkessel der Intrigen; beinahe jeder dort war ein Spion. Einmal ging sie zu einem geheimen Treffen, bei dem ihr klar wurde, dass im Raum nicht nur niemand derjenige war, der er zu sein vorgab, sondern dass jeder so tat, als sei er sein eigener Feind. Sie wurde leichtsinnig und sagte es ihnen auf den Kopf zu. Es entstand eine kurze, eingeschnappte Stille, in der sich Damen und Herren verschiedener Geheimdienste gegenseitig verächtlich betrachteten, und anschließend betranken sich alle und feierten. Edie wachte zwischen einem Mossadagenten und einem hinreißenden Sowjetmädchen mit schlechter Haut auf, die fluchen konnte wie ein Seemann.
Beim Frühstück – der junge Mann vom Mossad stand immer noch unter der Dusche – verriet das Sowjetmädchen Edie, dass der KGB die Sekunis auf Kuba umgebracht hatte. Das Mädchen wusste nicht, warum.
Edie hoffte, dass es sich um einen Fall von Desinformation handelte, wusste aber, dass es nicht so war. Die Welt wurde alt und grausam. Das große Spiel, das sie gespielt hatte, war zu etwas Harscherem geworden. Es waren nicht mehr Brüder-Monarchen, die Punkte einfuhren, oder Imperien, die einander auf die Probe stellten; nun ging es um Ideen, und die Wissenschaft trug ihren Teil dazu bei. Eine Idee konnte niemals sterben. Eine Stadt jedoch konnte brennen, und ihre Bevölkerung auch.
Abel Jasmine beorderte sie nach Europa zurück. An der Einsilbigkeit seines Befehls konnte sie erkennen, dass etwas nicht stimmte. Etwas war passiert, und es war schlimm.
»Geht es um ihn?«, fragte sie. »Geht es um Shem Shem Tsien? Denn diesmal werde ich ihn umbringen, Abel. Ist mir egal, was es kostet.«
Abel Jasmine seufzte. »Kommen Sie nach Hause, Edie, ich brauche Sie hier.«
Sie nahm ein Flugzeug nach Istanbul und flog dann weiter nach London. Dort angekommen, fuhr man sie nach Cornwall. Sie wusste, dass es schlimmer war, als sie es sich vorgestellt hatte, denn niemand sagte ihr etwas, und nach und nach wurde ihr klar, dass dies kein Versehen war und auch nicht daran lag, dass man die Geheimhaltung aufrechterhalten wollte. Niemand verstand, was vor sich ging, und alle hatten Angst. In diesem Moment wusste sie mit absoluter Sicherheit, dass es um Frankie ging.
»Die Maschine«, sagte Abel Jasmine, und mehr musste Edie nicht wissen. Frankie hatte die Maschine getestet, und irgendetwas war schiefgelaufen. Oder, was wahrscheinlicher war, zu gut gelaufen.
»Bringen Sie mich zum Lovelace «, sagte sie der Marinesoldatin am Steuer des Mitarbeiterwagens. »Wissen Sie, was das ist?«
»Ja«, sagte das Mädchen, und Edie begriff, dass sie langsam alt wurde, denn die Frau kam ihr zu jung vor, um Auto fahren zu dürfen.
Edie saß auf dem Beifahrersitz und lauschte darauf, wie sich die Beschaffenheit der Straße unter den Reifen änderte. Den Weg erkannte sie wieder, wusste, wohin er
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