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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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nötig.« Und Harriet womöglich noch mehr als andere, weshalb sie auch so schnell ist mit ihrer Antwort. Er schiebt den Gedanken beiseite.
    »Wie viel Zeit haben wir?«
    »Wie viel Zeit bis wann?«
    »Wann betest du das nächste Mal, isst etwas oder was auch immer?«
    »Zeit genug.« Um zu erreichen, was Gott mit diesem Gespräch beabsichtigt. Der Fatalismus ängstigt und verärgert Joe in gleichem Maße. Ihre Antwort könnte ebenso fünf Minuten bedeuten wie eine Woche.
    Er zieht den gefalteten Abrechnungsbogen aus seiner Tasche und legt ihn aufs Bett, als wäre dieser Zettel das entscheidende letzte Beweisstück in einem Agatha-Christie-Krimi und Joe der Detektiv, der nun bekannt gibt, warum er alle Verdächtigen an diesem Abend hierher bestellt hat. Abgesehen davon, dass sie nur zu zweit und von einer Lösung des Rätsels leider weit entfernt sind.
    »Mathew hat für Daniel bezahlt.«
    Sie schaut ihn an, blickt dann auf das Blatt Papier und nickt. »Ja.«
    »Er hat die Bücher manipuliert.«
    »Ja.«
    »Und dann später, als Mathew die Unterlagen an den Steuerberater gegeben hat …«
    »Mathew hat Mr Presburn dazu gebracht, sie für ihn zu fälschen.«
    Presburn, die ehrliche Haut, der für Handwerker und Menschen von gutem Charakter pro bono die Steuererklärungen erledigte. Nur dass Presburn, wie sich zeigt, der Handlanger von Mathew gewesen ist, der Kanal für die hinterhältige Großzügigkeit gegenüber seinem wütenden Vater. Es stimmt also alles. Aber was bedeutet es, jetzt und hier, für J. Joseph Spork, der als Kind versucht hat, Mathew zu sein, und als Erwachsener Daniel und sich niemals wirklich die Mühe gemacht hat, Joe zu sein? Und welche seiner verschiedenen Persönlichkeiten wird nun von den Dämonen durch diese sündige Welt gejagt?
    »Hast du es gewusst?«
    »Ja.«
    »Aber Daniel nicht.«
    »Nein. Ich hatte einmal überlegt, es ihm zu erzählen.« Weil Gott die Wahrheit liebt. »Aber es wäre grausam gewesen.«
    Ja. Das stimmt. Aber du hättest es doch vielleicht mir sagen können. Das hätte mein Leben einfacher gemacht, denn wenn ich gewusst hätte, dass Daniels Gewerbe sich auf die Weise, mit der er es betrieb, nicht auszahlt, hätte ich womöglich nicht zehn Jahre meines Lebens damit verbracht, exakt dasselbe zu tun, verdammt, und hätte mich nicht derartig gewundert, dass nichts dabei herausspringt.
    Harriet seufzt und verschränkt für einen Moment ihre Finger. Möge Gott ihnen beiden Frieden schenken.
    Wieder einmal hat Joe das Gefühl, so ein Frieden könnte weit einfacher zustande kommen, wenn die Mitglieder seiner Familie sich weniger haarsträubende Lügen auftischen und ihren Kindern eine etwas weniger komplizierte und geheimnisumwitterte Hinterlassenschaft aufbürden würden.
    Zumindest hat sie es nicht auf die Unergründlichkeit des Herrn geschoben. Als Harriet damals hierherkam, nahm Joe an, dass es sich bei dieser so oft gehörten Antwort lediglich um eine freundliche Nonnenversion von Du kannst mich mal handelte. Erst später kam er zu der Überzeugung, dass es eine Glaubensbeteuerung war.
    »Daniel hat mit Frankie etwas gebaut, nicht wahr?«
    Die Sanftmut auf Harriets Gesicht wird schlagartig zur Weißglut.
    »Oh, für die hätte er alles getan! Er hat alles getan. Sie hat viel verlangt, und er hat es immer getan. Und was sie nicht direkt von ihm verlangt hat, was sie ihm einfach überlassen hat, das war noch schlimmer. Sie war heimtückisch, Joshua! So heimtückisch. So verdorben und finster. Alle glaubten, sie würde leuchten, all diese ach so gescheiten Männer, aber sie war im Inneren verdorben wie ein wurmstichiger Apfel. Maden und Tod. Sie war eine Hexe, aus einer Hexenbrut, und möge Gott sie erretten, denn ich glaube, sie ist jetzt in der Hölle. Ich werde über sie nicht sprechen. Sie war schlecht.«
    »Ich dachte, schlecht wären wir alle, wenn wir uns nicht bemühen.«
    »Oh, wir sind allesamt Sünder. Aber wir sind nicht böse, Josh. Nicht wenn wir uns wirklich anstrengen. Sie war böse. Sie hatte solche Augen. Sie sah alles, bis auf den Grund der Schöpfung. Sie sah wie Einstein, hieß es. Und schau, was wir ihm zu verdanken haben: brennende Städte und weiße Schatten an den verkohlten Wänden. Ein halbes Jahrhundert der Angst und der Verachtung, und nun warten wir alle auf den ersten Koffer, der eine Stadt in Glas verwandelt. Aber Einstein war ein gottesfürchtiger Mann, nicht wahr? Frankie war das in keiner Weise. Oh nein.«
    »Warum? Was hat sie

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