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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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vertraulichem Ton versichert, dass ihm die bestmögliche Pflege zukommt und es ihm bald schon besser gehen wird. Er hat geantwortet, dass er sich sicher sei, dass das stimme.
    Den Namen des Hospitals aber hat sie ihm trotzdem nicht mitteilen wollen (»Das ist mir nicht gestattet«), und sich für ihn mit jemandem in Verbindung setzen, wollte sie auch nicht. (»Sie denken jetzt nur daran, wieder auf den Damm zu kommen, okay?«) Nachrichten von draußen hat sie ihm auch nicht mitgeteilt – über goldene Bienen zum Beispiel, oder ob sie bereits einen Krieg ausgelöst haben.
    Er hat den Ort Happy Acres getauft. Die anderen Patienten – von denen allerdings, da ist er sich ziemlich sicher, nicht alle Gefangene sind – verhalten sich zumeist still und verwirrt. Einer der Männer singt in einer Ecke wieder und wieder den Anfang eines Popsongs. Eine Frau wimmert.
    Fünf Minuten vor der vollen Stunde betreten sieben Männer den Raum und schaffen Platz für eine Art Sarg. Er erinnert an den Verschlag, in dem Joe während des Waterboardings festgeschnallt war (»Saline Offenbarungstherapie«, wie ihn Schwester Gemma rügend verbessert hat), aber dieser scheint maßgeschneidert zu sein und eine noch vollständigere Fixierung möglich zu machen. Der Mann im Inneren ist beinahe komplett in Nylonbänder und Gummi eingeschnürt. Er ist älter als Joe, aber jünger, als Mathew bei seinem Tod gewesen war, und er hat wildes Haar, einen Vollbart und die Haut eines Arbeiters, die unter den Fesseln auffällig blass ist. Selbst wenn der Mann an die frische Luft gebracht wird, bleibt er in seinem Sarg.
    Endlich. Jemand, den sie noch mehr hassen als mich.
    Sie stellen den Sargmann neben dem Fenster ab, sodass er die Blumen sehen kann. Er gibt ein raues, gurgelndes Geräusch von sich, und irgendwann wird Joe klar, dass der Mann ein freundliches »Guten Morgen« ausgestoßen hat.
    Nach einer Weile führen sie Joe vor den Sarg. Von dem Mann im Inneren kann er nur ein braunes und ein blaues Auge sehen, die ihn ohne zu blinzeln anstarren. Joe wird klar, dass der Mann vermutlich niemals länger das Gesicht eines anderen zu sehen bekommt. Er schaut an dem Sarg vorbei und bemerkt, wie Mr Ordinary ihn gespannt beobachtet. Er kann die Warnung auf seiner Stirn ablesen: Es gibt schlimmere Lagen als die, in der du steckst, mein Junge.
    »Hallo«, sagt er zu dem Gefangenen. »Ich heiße Joe. Wie heißen Sie?«
    Kurz fragt er sich, warum alle ihn auslachen, sogar der Mann im Sarg.
    Sie bringen ihn nicht zurück in seine Zelle. Er kann den kleinen Raum, der nicht viel größer ist als sein Körper und darauf wartet, ihn erneut zu umarmen, immer noch spüren. Er starrt das weiße Licht an, das durch die Fenster dringt, und prägt es seiner Erinnerung ein.
    Er spielt Dame mit dem Sargmann. Sie müssen ein elektronisches Brett verwenden. Der Sargmann hat eine Fernbedienung, wie sie von Querschnittsgelähmten benutzt wird. Einer seiner Finger ist freigelegt worden, um einen kleinen Joystick zu bedienen, für einen Klick nach dem anderen. Vorwärts. Zur Seite. Vorwärts. Zur Seite. Diagonale Züge sind offenbar nicht möglich.
    Joe gewinnt. In letzter Minute allerdings jagt der Sargmann ihm mit einer angreifenden Dame einen ziemlichen Schrecken ein. Er verdrängt Joe aus seiner Position und gewinnt einige Steine durch die schiere Kraft der Bedrohung, bevor Joe sich in Sicherheit bringen kann. Obwohl sie von ihren Steinen umringt wird, ist die Dame nicht zur Verteidigung bereit; eher umgeben von Zielscheiben.
    Der Sargmann sagt etwas durch seine Beißschiene hindurch. Es ist schwer zu entschlüsseln. Er spielt mit dem Ding in seinem Mund, verschiebt es und schürzt die Lippen. Speichel glitzert. Er sagt es noch einmal.
    »So macht man das.«
    Dann lacht er.
    Als Joe fragt, warum man ihn seine Instruktionen nicht einfach sprechen lässt, lachen wieder alle. Ein großer Pfleger krempelt seinen Ärmel hoch und zeigt auf eine Narbe auf seinem Arm, einen langen Streifen blassen Fleisches. Dabei scheint er nicht das Geringste gegen den Sargmann zu haben. Scheinbar hat der Pfleger das Gefühl, dass sie alle am selben Strang ziehen. Der Sargmann gurgelt herzlich.
    Später wird Joe eine Mahlzeit serviert. Sie füttern ihn, weil er zu stark zittert. Währenddessen verabreicht jemand dem Sargmann intravenöse Nahrung. Irgendwann kommt einer der Männer der Joystick-Hand des Sargmanns zu nahe, der ihm eine lange, tiefe Wunde ins Gesicht reißt. Er faucht etwas. Es ist

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