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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Werkzeug zur Verfügung gestellt. Ich habe mir angewöhnt, es als den Frickelstab zu bezeichnen. Es ähnelt keinem Werkzeug, das ich je gesehen habe, und ich soll dir mitteilen, dass dir erlaubt ist, es als Souvenir oder als Teilbezahlung zu behalten. Der Frickelstab ist offenbar vonnöten, um an einige der beweglichen Teile von dem Dingsbums herankommen zu können. Es ist also ein Doppelangebot, oder besser noch ein Dreifachangebot, was es, soweit ich weiß, auf dieser Welt noch nie gegeben hat, und ich bin stolz, es dir im Sinne guten Handels und kollegialen Respekts übermitteln zu können.« Billy lächelt sein gewinnendes Lächeln.
    »Wer ist der Klient?«
    »Ein Gentleman weiß zu schweigen.«
    »Eine Frau.«
    »In der Tat.«
    »Und es besteht kein Zweifel, dass ihr die Stücke auch tatsächlich gehören?«
    »Nicht der geringste. Sehr respektable alte Krähe, wie ich finde.«
    »Sie hat sie bei diesem Nachlassverkauf erworben, den du erwähnt hast.«
    »Ah, da hast du mich erwischt, Joseph. Ich habe die unglückselige Angewohnheit, von jedem Stück, dessen Herkunft ich nicht offenbaren darf, zu behaupten, es würde aus einem Nachlassverkauf stammen. Das vermeidet Fragen und vermittelt ein angemessenes Gefühl von gravitas .«
    Er hebt seine Augenbrauen, sodass Joe seinen klaren, unbestreitbar ehrlichen Blick bewundern kann. Billy Friend wartet. Und wartet. Und wartet, wobei er nur ein klein wenig verletzt aussieht. Endlich …
    »Bring mir die Sachen heute Nachmittag vorbei«, sagt Joe. Billy Friend grinst und streckt die Hand aus, um den Handel zu besiegeln. Er zahlt die Rechnung und besorgt sich die Telefonnummer der Kellnerin. Joe wickelt den Erotomaten wieder in das Seidenpapier.
    »Man vermisst dich im Nachtmarkt«, informiert ihn Billy, als sie aus der Tür auf die Straße treten. »Man fragt nach dir. Es ist nicht mehr dasselbe ohne … na ja. Du solltest mal vorbeikommen.«
    »Nein«, sagt Joe. »Sollte ich nicht.«
    Und diesmal widerspricht ihm nicht mal Billy Friend.
    Ein Schlepper lässt draußen auf dem Fluss sein Signal ertönen und bringt Joe Spork wieder in die Gegenwart zurück. Er schiebt den Gedanken an Billy beiseite – schlechte Nachrichten erreichen einen ja sowieso irgendwann – und nimmt einen Schlüssel von dem Rollwagen, überquert mürrisch die Straße, geht eine enge, schäbige Gasse hinunter bis zu einem Tor mit Vorhängeschloss. Durch eine Lücke zwischen zwei Gebäuden gelangt er schließlich zu einer Reihe von verrosteten und mit Entenmuscheln bewachsenen Türen, die Richtung Fluss weisen. Bootshäuser für sehr kleine Boote vielleicht oder Atombunker-Badekabinen aus einer Zeit, als der Fluss noch tiefer stand. Er hat keine Ahnung. Geisterarchitektur, die noch bestehen bleibt, wenn ihr Erbauungsgrund längst nicht mehr existiert. In einer dieser Kabinen sind die Überreste seiner Vergangenheit verstaut, an die er nicht allzu oft denken möchte. Er öffnet die Tür alle paar Monate einmal, um sicherzugehen, dass das Wasser nicht über den Stand des roten Farbkleckses gestiegen ist, den er jeden Herbst an der Wand anbringt. Davon abgesehen aber lässt er diesen Ort seine Geheimnisse bewahren.
    Und Geheimnisse hält er ohne Zweifel unter Verschluss. Eine der anderen Türen, das weiß Joe zufällig, verbirgt kein eingelagertes Gerümpel, sondern führt zu einer alten Munitionskippe, die wiederum durch einen viktorianischen Abwasserkanal mit einer mittelalterlichen Krypta verbunden ist, die um eine Kurve herum zu einer Brauerei führt. Wäre man im Besitz einer ordentlichen Karte, könnte man von hier aus bis nach Blackheath laufen, ohne je die Sonne zu sehen.
    Und irgendwo dort unten, auch wenn er sie selbst nie gesehen hat, befindet sich die heilige Höhle, in der Mathew Spork seine ersten Anschläge gegen Londons Bankenwelt vorbereitet hat. In einem Gewölbe aus roten Back- und Sandsteinen feuerte Mathew zum ersten Mal seine Thompson-Maschinenpistole ab und lernte, sie richtig einzusetzen. Der junge Joe, der sich in seiner Kindheit hauptsächlich von Comicheften und Abenteuergeschichten ernährte, stellte sich vor, dass sein Vater in den Abwasserkanälen russische Armeen in Schach hielt, Außerirdische und Monster tötete und dafür sorgte, dass Londons Straßen sicher blieben für kleine Jungs. Tag für Tag trugen Dutch Schultz und die Murder, Inc. ihre Kämpfe im Palace Chop House aus, und Tag für Tag kam Joes Vater ohne einen Kratzer davon. Durch grandiose Träume voller

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