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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Er kann hören, wie sie ihre Lippen schürzt, um sich aufzuregen, und kommt ihr zuvor. »Ich muss mehr wissen. Wenn es gefährlich ist, dann ist es umso wichtiger. Ich stecke da irgendwie drin. Ich glaube, es könnte irgendwas mit Daniel zu tun haben. Kannst du das auch überprüfen?« Er will das Gespräch beenden. Er ist auf irrationale Weise wütend auf Cecily, weil sie ihn derartig in Alarmbereitschaft versetzt hat.
    »Daniel Spork? Dein Großvater Daniel? Wie kommst du darauf? Mit wem hast du gesprochen?«
    Aber das will Joe nicht beantworten, noch nicht, also murmelt er etwas Unverständliches und wiederholt seine Bitte. Nach einem Moment, in dem sie schweigend klargemacht hat, dass ihr sein Ausweichen sehr wohl aufgefallen ist, gibt sie nach.
    »Ich werde mir die Akte anschauen. Aber du hast die meisten seiner Sachen bei dir. Was es noch gibt.«
    »Nur ein paar alte Kleidungsstücke und seine Jazzsammlung.«
    Es entsteht eine kurze Stille, dann: »Seine was?«
    »Jazz. Musik.«
    »Ich bin mir dessen bewusst, du Welpe, dass Jazz Musik ist – und eine ihrer höchsten Formen. Na schön, dann fang damit an.«
    »Warum?«
    »Weil dein Großvater, wenn ich nicht inzwischen komplett irre bin, Jazz gehasst hat, Joe. Verabscheut. Offenbar hat das Schiff, mit dem er während des Krieges aus Frankreich hierherkam, eine Jazzband an Bord gehabt. Sie haben unter Deck für die Flüchtlinge gespielt, als die Schiffskolonne angegriffen wurde. Die Bomben fielen, die ganze eiserne Badewanne hat gescheppert und gedröhnt, und sie haben sich bis zur englischen Küste getanzt. Daniel konnte sich das anschließend nicht mehr anhören. Er sagte, er habe dabei nur noch Granaten fallen und Männer schreien gehört.«
    »Oh. Das wusste ich nicht.«
    »Nun, es ist ja auch keine Geschichte für Kinder, würde ich sagen.«
    Nein, da hat sie wohl recht. »Ich brauche alles, was du herausfinden kannst.«
    »Sei vorsichtig, Joe. Bitte.«
    »Werde ich sein. Bin ich.«
    »Ja, bist du. Na schön. Gib mir einen Tag oder so, und bring mir ’ne Schweinefleischpastete mit.«
    Nach kurzer Bedenkzeit muss Joe zum ersten Mal lachen. Cecilys Arzt hat ihr Schweinefleischpasteten streng verboten, aber sie duldet keinen Widerspruch. Cecily Foalbury, 76 Kilo schwer, 1 Meter 57 groß und einundsiebzig Jahre alt, würde mit Freuden im Winter nackt über den Piccadilly Circus laufen für eine Schweinefleischpastete.
    Er legt den Hörer auf und lehnt sich zurück, starrt an die Decke des Lagerhauses und lauscht der Themse.
    Fürchte die Griechen, auch wenn sie Geschenke bringen.
    Na klar. Im Nachhinein lässt sich so was leicht sagen.
    »Ich verrat dir was«, sagt Billy Friend drei Tage zuvor im vertraulichen Taxifahrer-Tonfall. »Ich hab etwas, das dir in beruflicher Hinsicht nützlich sein könnte, ganz zu schweigen vom handwerklichen Reiz. Und es wäre auch ein echter bezahlter Job, ein Auftrag für einen seriösen Kunden. Ganz ohne Tricks und völlig sauber. Okay? Also, was meinst du, du bekommst ihn durch mich unter der Hand und tust mir dafür einen Gefallen. Gegenseitige Gefälligkeit, kein Papierkram, keine Steuern, ein Win-Win für alle Beteiligten.« Er späht über den Rand seiner Teetasse und zuckt mit den Augenbrauen.
    Billy Friends Augenbrauen nehmen viel Raum ein in seinem Gesicht, da sie dick und schwarz sind und er über keinerlei sonstiges Haar auf seinem Kopf verfügt. Als ihm eines Tages aufging, dass er im Kampf gegen den typisch männlichen Haarausfall hoffnungslos unterlegen war, gab er seiner Verlobten den Laufpass, kaufte sich einen glänzenden neuen Anzug und ließ sich von einem Knightsbridge-Friseur die Überreste seiner sterblichen Jugend abrasieren. Und abgesehen davon, dass er die abstrusen Wachssorten variiert, mit denen er auf seinem alarmierend sexuellen Schädel ein männliches Leuchten erzeugt, hat er sich seitdem überhaupt nicht mehr verändert: Billy Friend, der der hocherotischen Fernseh-Glatzköpfigkeit von Patrick Stewart nacheifert, auch wenn er immer behaupten würde, dieses Markenzeichen als Erster etabliert zu haben.
    Joe bemüht sich grundsätzlich, Billy aus seinem Berufsleben herauszuhalten. Ab und zu treffen sie sich in der Stadt, gehen etwas essen, trinken vielleicht noch was. Billy ist ungestüm und auf peinliche Weise dreist und so genau die Art Mensch, die einen mürrischen Joe Spork dazu zwingen kann, sich zu amüsieren und sogar Frauen anzusprechen, die er attraktiv findet. Es ist die Art von

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