Der goldene Schwarm - Roman
böse, und Sie selbst sind es in Ihrem eigenen, kleineren Maßstab auch. Diese Bürde tragen Sie für die Nation und für die Welt, opfern Ihre eigene Rechtschaffenheit zugunsten einer höheren Erlösung. Ich bin schrecklich beeindruckt. Diese Konstruktion würde aus uns«, sie deutet in den Raum, » die Guten machen. Fehlgeleitete, doch moralisch unbeschmutzte Menschen. Als Folge unseres Gut-Seins fühlen Sie sich in diesem sehr stillen, sehr abgeschiedenen Raum sicher.«
Sie lächelt und schüttelt dann missbilligend den Kopf, als der Hund, der Cummerbund bereits zuvor aufgefallen ist, an einem gummiartigen Gegenstand zerrt, der sich in einer Stofftasche unter dem Tisch befindet. Harriet Spork hebt die Tasche vom Boden auf und beginnt geistesabwesend, sie auszupacken. Eine Gummischürze. Ein langer, medizinischer Schlauch. Arvin Cummerbund verspürt ein Grummeln in seinem Bauch. Polly Cradle bedankt sich nickend und fährt fort.
»Die Sache ist die, Arvin – Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Sie Arvin nenne, oder? –, die Sache ist die, dass Sie und Rodney im Grunde recht anständige Leute sind. Sie verstoßen nicht gegen das Gesetz, wenn es sich vermeiden lässt, und missbrauchen auch nicht Ihre persönliche Macht. Sie hegen gegen niemanden einen Groll. Vermutlich erwarten Sie, dass ich sagen würde, dass auch ich Ihnen gegenüber keinen Groll hege und die Sache nicht persönlich nehme, weil gute Menschen so etwas nicht tun, aber in Wahrheit ist das nicht der Fall. Sie haben meinen Geliebten foltern lassen. Das nehme ich persönlich, Arvin. Darf ich noch hinzufügen, ganz unter uns, dass es noch verabscheuungswürdiger ist, jemanden von einem Stellvertreter foltern zu lassen, als es selbst zu tun?«
Aus der Tasche: eine (halb volle) Box mit Operationshandschuhen. Gaze. Mullbinden. Klebefilm. Destilliertes Wasser. Alkohol. Eine dieser merkwürdigen, gebogenen Scheren, die unverkennbar einem medizinischen Zweck dienen. Cecily Foalbury lehnt sich hinüber und greift nach einer Plastikröhre, misst sie an ihrem Arm ab, beißt sie durch und misst erneut. Besser.
Harriet Spork seufzt. Etwas fehlt auf dem Haufen. Was ist es? Hat es der Hund? Ein ziemlich triviales Ding, ohne das niemand das Haus verlassen würde … wo ist es denn? Abbie Watson schreitet zu ihrer Rettung.
»Bastion! Aus!«
Da ist es – der verflixte Hund schon wieder. Die Blutsperremanschette . Abbie Watson legt sie auf den Tisch und schaut Arvin Cummerbund ohne Mitgefühl an.
»Mein Ehemann«, sagt sie distanziert, »wird genau in diesem Augenblick operiert.«
Was die erste echte Stille heraufbeschwört, die Arvin seit Jahren gehört hat. Sogar Cecily Foalbury hält beim Trinken ihres Tees inne.
»Ja«, sagt Polly nach einem Augenblick leichthin, »trotz alledem muss ich Sie zu meinem Bedauern darüber informieren, dass Sie und Ihr Freund Rodney keineswegs böse Menschen sind, nicht in diesem Sinne. Sie werden von einer vermeintlichen Notwendigkeit angetrieben. Sie sind gut . Die logische Schlussfolgerung davon ist, dass wir das Gegenteil sind. Sie sind Schurken in die Hände gefallen. Ich würde Ihnen raten, einen Augenblick darüber nachzudenken, was das impliziert.« Sie deutet nicht auf die Gerätschaften auf dem Tisch. Arvin kann den Blick ohnehin nicht von ihnen abwenden. »Mr Cummerbund«, fährt Polly Cradle sanft fort, »Sie geben sich der fälschlichen Hoffnung hin, dass Ihre Sicherheit von menschlichem Anstand gewährleistet würde, aber das ist nicht der Fall. Wir sind gottlos, und wir sind wütend. Es gibt keinen Anstand in diesem Raum. Sie haben die Ermordung von Edie Banister in Kauf genommen. Sie haben Harriet den Sohn weggenommen und ihn verhören lassen. Sie haben dem Ehemann dieser Frau Schaden zugefügt. Und Sie haben mich meines Geliebten beraubt.
Ich weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob es sich bei Joshua Joseph Spork um den Mann meines Lebens handelt. Er könnte es sein. Ich habe ausführlich darüber nachgedacht. Die Geschworenen sind noch nicht von ihrer Beratung zurückgekehrt. Das Problem zwischen uns beiden, Mr Cummerbund, besteht darin, dass Sie mich um die Gelegenheit bringen wollten, mir Klarheit zu verschaffen. Es ist nicht an Ihnen, mir Joe Spork zu geben oder ihn mir vorzuenthalten. Er gehört mir , bis ich mich anderweitig entscheide. Sie haben ihm Kummer bereitet, seinen Namen beschmutzt und ihn verletzt. Wenn ihn irgendjemand zum Weinen bringt, Lügen über ihn verbreitet oder ihm irgendetwas
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